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Medien: Die Fassungslosigkeit bleibt

ARD und ZDF berichten über Schicksale zum 11. September

Da sind sie wieder, die Bilder, die sich für immer in die Netzhaut eingebrannt haben. Doch nun bekommt der Horror eine neue Dimension: In den meisten Reportagen und Dokumentationen, die das Fernsehen an den nächsten Tagen bis zum 11. September zeigen wird, kommen die Menschen zu Wort, die die Terroranschläge vor einem Jahr aus nächster Nähe erlebt haben: Feuerwehrleute, Polizisten, Sanitäter sowie jene, die im World Trade Center gearbeitet haben. Ihre Schilderungen nehmen den Ereignissen ihre Abstraktheit, machen sie begreifbar. Ein Bürobote hat die frühe Fähre nach Manhattan verpasst und kommt zu spät zur Arbeit; das rettet sein Leben. Ein Mann aus dem Südturm sieht das zweite Flugzeug auf sich zu kommen, ist sicher, dass er sterben muss – da korrigiert es seinen Kurs.

Der 11. September selbst wird ohnehin ganz im Zeichen der Terroranschläge stehen, doch schon an diesem Dienstag beginnen ARD und ZDF mit dem Countdown. Der zweiteilige ZDF-Film „Tot oder lebendig“ (heute und morgen um 22 Uhr 15) dokumentiert allerdings nicht den Tag des Terrors, sondern die Jagd nach den Drahtziehern der Anschläge. Der renommierte amerikanische Journalist Brian Lapping geht der unbequemen Frage nach, ob die militärischen Einsätze in Afghanistan nicht bloß Augenwischerei gewesen sind; schließlich sind Osama bin Laden und sein Terror-Netzwerk Al Kaida nach wie vor höchst aktiv.

Ganz im Zeichen des 11. September steht hingegen die WDR-Reportage „Die durch die Hölle gingen – New York ein Jahr danach“ (WDR Fernsehen, Donnerstag um 22 Uhr). Kameramann Joe McCarthy war damals für die ARD unterwegs und filmte die brennenden Türme. Als der erste einstürzte, konnte sich McCarthy mit einigen anderen in letzter Sekunde in Sicherheit bringen. Ein knappes Jahr später besuchte er den Polizisten, der sie rettete, und sprach mit all den anderen, die damals sein Schicksal teilten.

Während Barbara Alexander und Gerald Baars in dieser Reportage ganz bewusst auf Bilder verzichtet haben, die zeigen, wie sich Menschen aus großer Höhe in den Tod stürzen, schildert der Film „Der Tag des Terrors“ (ARD, Freitag, 21 Uhr 45) die Ereignisse lückenlos. „Anschlag aus heiterem Himmel“ ist der Untertitel der Dokumentation, die in der Tat mit den idyllischen Bildern eines Sonnenaufgangs über New York beginnt. Claus Kleber, bis vor wenigen Wochen Washington-Korrespondent der ARD, rekonstruiert die Ereignisse nicht nur anhand des bekannten Archivmaterials, sondern vor allem durch Interviews mit vielen Betroffenen, darunter jener Angestellte, in dessen Etage die Maschine der United Airlines einschlug. Auch ein Feuerwehrmann, der im Nordturm in einem Fahrstuhl eingeschlossen war, kommt zu Wort. Hinzu kommen Aussagen von US-Präsident George W. Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.

Am stärksten berühren jedoch die Gespräche mit den Frauen, deren Männer Passagiere in den entführten Flugzeugen waren und die sich telefonisch für immer von ihnen verabschiedeten. Und dazwischen immer wieder die Bilder, die man nie vergisst: die detonierenden Flugzeuge, die brennenden Türme, die schockierten Passanten, die einstürzenden Wolkenkratzer, die gigantische Staubwolke, die sich durch die Straßen wälzt, die Aufnahmen danach; und wie damals: die Fassungslosigkeit. Der von Christian Brückner gesprochene Kommentar tut ein übriges, um das Stück zu einem packenden Dokument der Zeitgeschichte zu machen. Tilmann P. Gangloff

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