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Medien: Die Frau fürs trockene Brot

Bettina Schausten gibt sich bescheiden. Am Sonntag übernimmt sie „halb zwölf“ im ZDF

Bettina Schausten war ein komisches Kind. Am liebsten hat sie statt mit Puppen „Nachrichten“ gespielt. Mit großer Tafel und selbst erfundenen Informationen. Nicht irgendwelche Nachrichten, nein, sie hat immer „heute“ gespielt. Darauf legte sie Wert. Mit dem ZDF ist die westfälische Lehrertochter groß geworden, und schließlich ist sie dabei geblieben. Beim Vorspann zum „ZDF-Magazin“ hat sie sich gefürchtet. Aber Löwenthal gucken gehörte zum Ritual. Das Zweite war der Haussender der Familie Schausten in Lüdinghausen.

Als Bettina Schausten das erzählt, findet sie es fast ein bisschen peinlich. „Als hätte ich mir das ausgedacht. Aber es stimmt!“ Natürlich. Ausdenken würde sie sich so eine Geschichte nicht, erst recht nicht, um ein Image zu transportieren. Das passt nicht zu ihr.

Die 38-jährige Journalistin und studierte Literaturwissenschaftlerin ist korrekt, seriös, klug und sympathisch, wenn auch ein wenig unpersönlich. Früher moderierte sie das „Morgenmagazin“, jetzt Wahlsendungen und das „ZDF-Politbarometer“ – Zahlen, Umfragen und noch mal Zahlen. „Ich weiß, das ist trockenes Brot, und ich bin das Gesicht dazu.“ Sie stellt sich bereitwillig in den Dienst der Sache, als würde man sie dahinter nicht mehr wahrnehmen.

Wenn man mit ihr ins Gespräch kommt, ist sie gar nicht mehr so neutral, lacht gern, erzählt offen. Dennoch, nach außen hätte sie es am liebsten perfekt: keine Fehler, nicht einmal ein kleines Laster. Die Moderatorin will alles richtig machen, der Rest geht niemanden was an. „Es geht doch nicht um mich“, sagt sie und schaut, als wäre sie nicht beim Fernsehen.

Wenn es um sie persönlich geht, weicht sie aus. So hat sie bei der Pressekonferenz zum Neustart von „halb zwölf“ auf die harmlose Frage „Was machen Sie eigentlich in Ihrer Freizeit?“ geantwortet: „Ich habe keinen Hund.“ Später wird sie immerhin gestehen, gern zu essen, ins Kino zu gehen und keinen Sport zu treiben.

Bettina Schausten, die Leiterin der Innenpolitik beim ZDF, ist von diesem Sonntag an die Nachfolgerin von Ruprecht Eser in der Talk-Sendung „halb zwölf“. Eser hat die Sendung zehn Jahre in aller Stille vor sich hin moderiert und arbeitet mittlerweile als London-Korrespondent für den Sender. „Wenn Sie 327 Folgen hinter sich haben, kriegen Sie auch ein hübsches Auslandsstudio“, scherzte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender bei der Pressekonferenz in Schaustens Richtung. Ansonsten ist das Fazit wenig überraschend: Bei „halb zwölf“ bleibt alles, wie es war. Nur ein neues Logo und eine neue Deko wird es geben. Und während Eser meist zwei Gäste empfing, bevorzugt Schausten einen. Den Anfang macht Innenminister Otto Schily.

Der Gesprächsstil von „halb zwölf“: nie aggressiv oder konfrontativ, eher ausgeruht, sonntäglich eben. Esers Konkurrenz war die „Sendung mit der Maus“. Deshalb nannten sie Eser die „graue Maus“. Schausten sieht sich in der Tradition des Vorgängers: nicht graumäusig, aber auf keinen Fall auffällig. „Ich will ein gleichmäßiges Bild vermitteln.“ Optisch und akustisch.

Der Sendeplatz verschafft der Ressortleiterin und Chefin von immerhin sechzig Leuten zwar noch mehr Arbeit, aber dieser Sonntagsdienst gefällt ihr, das weiß sie schon jetzt. „Sonntags ist keiner auf Krawall gebürstet. Ich will das so unaufgeregt machen wie Eser und möchte, dass die Leute hinterher sagen, jetzt verstehen wir das. Das wäre schön.“ Die unaufgeregte Sendung war vier Monate im Winterschlaf. Wer hat sie vermisst? Schwer zu sagen. „Der Lerchenberg ist nicht von einem Hunnensturm heimgesucht worden“, sagt Brender und setzt gleich noch eins drauf: „Eigentlich ist eine halbe Stunde zu einem Thema, wo immer alles so schnell gehen muss, eine Zumutung.“ Und dann sagt er noch: „Welcher Politiker lässt sich schon gern den Sonntag verhauen?“ Dennoch hatte „halb zwölf“ seine Gäste und seine Gemeinde.

Fast eine Million schaute den bedächtigen ZDF-Talk. Und darf ihn jetzt wieder schauen. Mit neuer Moderatorin.

Fragen Frauen anders? Diese Frage mag Frau Schausten nicht, beantwortet sie aber trotzdem: „Frauen haben den Mut, scheinbar schlicht zu fragen, sie wollen nicht mit ihrer Frage brillieren, sie wollen eine gute Antwort bekommen.“ Ritual-Argumentationen von Politikern mag sie auch nicht. Die will sie durchbrechen, nicht mit Vorwürfen, sondern mit Sachkenntnis. Ihre journalistischen Vorbilder sind Gerd Helbig, Eberhard Piltz und Dirk Sager. Obwohl Bettina Schausten oft auf dem Bildschirm zu sehen ist, ist sie nicht gerade bekannt. Das ist ihr recht. Sie mag es schlicht, trägt am liebsten Hosenanzüge, hat dunkle Augen, dunkle Haare.

Die Westfälin attestiert sich selbst einen „Hang zur Ernsthaftigkeit“, ist in der Selbsteinschätzung angenehm ehrlich und bescheiden. Welcher Fernsehmensch gäbe schon zu, „manchmal den Moment zur Frechheit zu verpassen?“ Sie macht es. Die Pointe ist ihr nicht wichtig. Darum geht es nicht in ihrem Job. Sie weiß, was sie kann. Wenn das Rotlicht angeht und die Kamera läuft, dann spielt sie keine Rolle. Bettina Schausten ist, wie sie ist: gut. Eigentlich ist sie sogar besser. Aber das braucht keiner zu wissen.

„halb zwölf“: Sonntag, 11 Uhr 30, ZDF.

Carla Woter

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