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Medien: Die Fremde

Katrin Müller-Hohenstein: Das neue „Sportstudio“-Gesicht stellt alte Fragen

In den vergangenen Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, die Existenz unserer Gesellschaft hänge von männlichen Sportmoderatoren ab. Der Grund: eine Frau namens Katrin Müller-Hohenstein, die am Sonnabend ihr Debüt im ZDF-„Sportstudio“ hatte – gefühlte 100 Jahre nach Christine Reinhardt, der letzten Moderatorin im Fernsehklassiker, gefühlte 200 Jahre nach Carmen Thomas. Das war die mit dem „Schalke-05“-Versprecher. Und nun: 2006. Große Aufregung. Eine gelernte Radio-Moderatorin, die plötzlich großes Fernsehen machen soll. Fußball! Ein Medien-Hype und Aufmerksamkeit wie sonst bei Angela Merkel. Die Frage lautete: Da Männer angeblich immer noch fremdeln, wenn Frauen Fußball kommentieren, was müssen diese können, wissen, tun, um sich da genauso selbstbewusst hinzustellen wie Johannes B. Kerner oder Gerhard Delling?

Zunächst einmal, Frauen müssen gar nichts besser können. Samstagabend ist nichts passiert. Eine fast ganz normale „Sportstudio“-Ausgabe. Nicht besser oder schlechter als andere Premieren auch. 2,9 Millionen Zuschauer, guter Schnitt (Sportschau: 5,95 Mio.). Ein bisschen Lampenfieber, Festhalten an Info-Kärtchen, ein, zwei Versprecher, Floskeln („Augenmerk auf Augenthaler“), ein Witz („Wenn Sie jetzt Costa Rica ziehen, sind wir im falschen Wettbewerb“) – eigentlich Blödsinn, dies alles Frau Müller-Hohenstein hinterherzurechnen, wo man das bei Herrn Poschmann ja auch nicht täte. Gut, das erste Interview war leicht holprig, zudem Jürgen Klinsmann Schwierigkeiten hatte, sich den Namen seiner Gesprächspartnerin zu merken: „Alles Gute auch Ihnen, Frau Müller-Wohl…“ (Müller-Wohlfahrt heißt der Arzt der Nationalmannschaft). Auch aus der Pokalauslosung (St. Pauli gegen Bayern) wäre mehr Stimmung herauszuholen gewesen. Der Drittligist saß im Studio. Aber immerhin wurden die Spieler von Müller-Hohenstein nicht „Kiez-Kicker“ genannt.

Schon nächste Woche darf die Neue wieder ran. Ein paar Ausgaben, ein wenig Mut und Freihändigkeit mehr, und die Rechnung von ZDF-Chef Brender könnte aufgehen: Müller-Hohenstein als eine Art ZDF-Lierhaus, allerdings ohne deren maschinelle Präzision (und ohne deren hübsche Kleider). Schwer vorstellbar, Monica Lierhaus in der „Sportschau“ oder demnächst bei den Olympischen Winterspielen mal bei einem Fehler zu ertappen. Manchmal macht solch’ Perfektion sogar Angst – nicht nur Männern.

Fazit im Sport-Moderatorinnen-Check: alles halb so wild. Kein Geschlechterkampf im Wohnzimmer, kein Fremdeln. Höchstens bei diesen unglaublich platten Interviews, nicht nur, aber vor allem im „Sportstudio“. Trotz diverser Ankündigungen, substanzieller zu werden, tut sich da nichts. Der Sportmoderator als ewiger Conférencier. Oberste Interview-Devise: bloß nicht belästigen. Müller-Hohensteins Peitschen-Frage „Ab wann beginnt die Vorfreude auf die Fußball-WM?“ hätte auch von SteinbrecherKernerPoschmann kommen können. Sogar von Lierhaus. Das ist „Sport-Bild“-Niveau.

Der Rückrundenstart der Bundesliga hat noch etwas anderes Bedenkliches gezeigt. Nur 5,3 Millionen Zuschauer wollten am Freitagabend das Spiel Borussia Mönchengladbach gegen Bayern München sehen. Damit lag die ARD-Übertragung an dritter Stelle, hinter „Wer wird Millionär ?“ und „Ein Fall für Zwei“. Wie man hört, sollen sich Pro7 und RTL für die Live-Übertragungen der Freitagabend-Spiele ab nächster Saison interessieren. Sie werden sich das überlegen. Oder eine Frau als Moderatorin nehmen.

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