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Medien: Die gelben Seiten des Lebens

Die Simpsons sind seit zehn Jahren in Deutschland auch als Comic erfolgreich

Das kommt davon, wenn ein verfressener amerikanischer Familienvater einen so geringen Horizont hat, dass er bei dem Wort „Turkey“ nur an Putensandwiches denkt, aber von der Existenz des gleichnamigen Landes noch nie etwas gehört hat. Die Verwechslung führt dazu, dass sich Homer Simpson in einem türkischen Militärgefängnis wiederfindet, weil er illegalerweise Truthahnstullen aus Istanbul ins heimische Springfield exportieren wollte. Das ist die Ausgangslage einer wilden Abenteuergeschichte um die gelbhäutige Chaos-Familie mit den Glubschaugen, in deren Verlauf beinahe der Planet Erde dran glauben muss, bevor am Schluss alles ein glückliches Ende findet.

Die aberwitzige James-Bond-Parodie, die sich im aktuellen Jubiläumsheft der „Simpsons“ findet, ist typisch für den Stil der Comicserie, die diesen Monat ihr zehnjähriges Deutschlandjubiläum feiert. Und sie entspricht genau dem Humor des Mannes, der bei den im Bongo-Verlag in Los Angeles entstehenden Comics seit 13 Jahren neben „Simpsons“-Schöpfer Matt Groening das Sagen hat: Bill Morrison, Chefredakteur der Heftreihe und mit 48 Jahren noch bekennender Kindskopf.

„Ich habe mir eben meinen jugendlichen Humor bewahrt“, sagt der „Simpsons“-Chef. Zum Gespräch in Berlin ist er in einer Baseball-Collegejacke erschienen und strahlt die unschuldige Fröhlichkeit eines Menschen aus, der es nie nötig fand, erwachsen zu werden. „Meine Hobbys sind bis heute Zeichtentrickfilme und Comics.“ Eben die Dinge, mit denen er großgeworden ist, und die bis heute seine Arbeit und die seiner 30 Kollegen inspirieren. Mit Erfolg: Alleine die deutsche Ausgabe verkauft sich nach Verlagsangaben jeden Monat bis zu 200 000 Mal.

„Unsere Geschichten sind wie ein alter Bugs-Bunny-Film: Bunt, lustig, aber auch mit Ironie und inhaltlichen Anspielungen gespickt, die nur Erwachsene verstehen“, beschreibt Morrison das Konzept. Im Oktober 1996 erschien die erste Ausgabe in Deutschland. Der Name „Simpsons“ war da schon eingeführt. Die von Matt Groening 1985 geschaffene Fernsehserie, die im selben Unternehmen, aber unabhängig von der Heftreihe produziert wird, war seit Jahren ein Erfolg. Daran knüpften die Comics an. Mit einem Erfolg, der in Deutschland unerwartete Ausmaße annahm: Laut Verlag hat man in Deutschland im Verhältnis zur Bevölkerung weit mehr Leser als im Herkunftsland USA.

Witzig sein ist ein hartes Geschäft. „Wenn man wie ich 13 Jahre dabei ist, muss man für jede Ausgabe schwerer daran arbeiten, noch originell zu sein“, sagt Bill Morrison. Da er keine eigenen Kinder hat, sammelt Morrison neue Ideen für die als Zerrbild der typischen US-Familie angelegten Simpsons auch schon mal durch Erinnerungen an seine eigene Jugend. „Viele Handlungen und Witze basieren auf den Erfahrungen, die ich mit meinen vier Schwestern gemacht habe“, sagt er. Eine davon habe der neunmalklugen Lisa geähnelt, eine andere der kleinen Maggy.

Seine absolute Lieblingsgeschichte handelt indirekt von Berlin, sagt er: In einer „Simpsons“-Folge hat die Comic-Crew über Nacht Springfield, die fiktive Heimatstadt der Simpsons, geteilt und eine Mauer mittendurch gezogen. „Das war direkt von der Berliner Mauer inspiriert, die kurz davor gefallen war“, sagt Bill Morrison. Am Ende, nach vielen turbulenten Wendungen, geht auch dieses Trennungsdrama gut aus. Wie eigentlich alle „Simpsons“-Geschichten.

Überdreht, auch mal provokativ, aber insgesamt familienfreundlich und mit Happy End – das ist eben das Prinzip, sagt der Chefredakteur. Zu weit getrieben hätten es er und seine Leute eigentlich nur einmal, findet Morrison. Da hatten sie in einer Weihnachtsgeschichte ein sehr gewalttätiges Abenteuer zweier Nebenfiguren eingebaut. „Nach dieser Geschichte haben sich bei uns so viele Eltern beschwert, dass es ihnen zu brutal und obszön war“, erinnert sich Morrison und wirkt für einen Moment richtig bedrückt. Heute tue ihm das leid, sagt Morrison, der sich ganz amerikanisch als Dienstleister seiner Kundschaft definiert: „Ich will die Leute unterhalten, nicht verärgern.“

Zu diesem Selbstverständnis gehört auch, dass zwar in jedem „Simpsons“- Heft haufenweise die politische Korrektheit persiflierende Anspielungen stecken, aber meist in mehrere Richtungen interpretierbar, dass eine klare Botschaft nicht erkennbar ist. „Das wäre auch gar nicht möglich“, sagt Morrison. Dafür stehe schon die Tatsache, dass „Simpsons“- Schöpfer Matt Groening, der bis heute im Hintergrund über allem wacht, im Herzen ein Linker sei, während er sich eher auf der konservativen Seite sieht. Hemmungen, auch mal George W. Bush und anderen Würdenträgern einen auszuwischen, hat die Comic-Truppe trotzdem nicht. Wie im Jubiläumsheft: Dort wird ein ignoranter US-Botschafter vorgeführt, der weder die Sprache des Landes spricht, in dem er Amerika vertritt, noch dessen Kultur kennt – wie es im echten Leben auch bei vielen von Bush wegen politischer Verpflichtungen ernannten Botschaftern üblich ist. Diese Andeutung haben Morrison und sein Team in bester „Simpsons“-Manier mit viel Klamauk garniert, damit bloß keiner das Ganze zu ernst nimmt.

Die „Simpsons“-Comics erscheinen im Panini-Verlag, die TV-Serie läuft bei Pro 7.

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