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Medien: Die Gesichter des Terrors

Warum Jordaniens TV Selbstmordattentäter zeigt

Per Video wandte sich der Terrorist Osama bin Laden aus seinem Versteck in den afghanischen Bergen an die Welt. Die arabischen Völker umwarb er, indem er die autoritären Regime und die amerikanische Politik kritisierte. Auch zum Gegenspieler von US-Präsident George Bush konnte der flüchtige Islamist nur werden, weil seine Videobotschaften weltweit ausgestrahlt wurden. Hatte Ayatollah Khomeini in den 80er Jahren noch mit Tonkassetten für die Revolution in Iran geworben, so setzen die islamischen Extremisten im 21. Jahrhundert auf das Fernsehen. TV läuft in jedem arabischen Haushalt – gelesen wird dagegen kaum. In der Propagandaschlacht um die Herzen der Muslime nutzen nun auch die arabischen Regime verstärkt das Medium Fernsehen.

So strahlte der jordanische Staatssender am Sonntagabend das angebliche Geständnis der potenziellen Selbstmordattentäterin Saschida al Raschawi aus. Die Irakerin, in schwarzem, bodenlangem Gewandt und weißem Kopftuch, gestand, dass sie sich im Radisson Hotel in die Luft sprengen wollte. Doch ihr Sprengstoffgürtel detonierte nicht und so floh sie aus dem Hotel, in dem sich ihr Ehemann inmitten einer Feier in die Luft sprengte. „Dort war eine Hochzeit, dort waren Frauen und Kinder“, sagte die Frau, die teilweise mit leerem Sprengstoffgürtel um die Taille gezeigt wurde.

Jordanien ist zwar ohnehin entsetzt über die blutigen Anschläge, bei denen 57 Menschen starben. Aber das Bild einer islamisch gekleideten Frau, die wahrscheinlich selbst Mutter und dennoch bereit ist, eine Hochzeitsgesellschaft in die Luft zu sprengen, verstört zusätzlich. In der traditionellen jordanischen Gesellschaft ebenso wie im Islam generell hat Familie einen besonderen Stellenwert. So hoffen die Behörden wohl, dass das Geständnis der Frau deutlich macht, wie die Terroristen die Werte des Islam mit Füßen treten. Für die Sicherheitsdienste ging es gleichzeitig darum, mit der schnellen Präsentation einer Täterin ihr angekratztes Image etwas aufzubessern.

Bereits nach dem vereitelten Angriff auf das Hauptquartier des jordanischen Geheimdienstes im April 2004 hatte das Regime mehrere mutmaßliche Täter ihre Geständnisse im Fernsehen ausbreiten lassen. Damals war es dem Regime noch darum gegangen, der Bevölkerung das Ausmaß der Bedrohung deutlich zu machen. Denn es war gemunkelt worden, dass die Behörden mit der angeblichen Verhinderung eines Angriffs nur davon ablenken wollten, dass gerade die Preise wieder drastisch erhöht wurden.

Auch die irakische Regierung nutzt das Mittel der Fernsehpropaganda. Geständnisse von angeblich reuigen Aufständischen werden zur Prime Time im Sender Al Iraqia ausgestrahlt – eindeutig zur Abschreckung. Denn die Täter präsentieren sich als blutrünstige, moralisch korrupte Menschen, die für Geld töten. Ihre Auftraggeber diskreditieren sie teilweise als „homosexuell“. Westliche Menschenrechtler und Juristen haben Bedenken gegen die öffentliche Parade von Gefangenen, deren Geständnisse möglicherweise unter dubiosen Umständen entstanden. In der arabischen Welt scheint sich daran kaum jemand zu stören. Ebenso wenig, wie die Ausstrahlung der Bin-Laden-Videos umstritten war.

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