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Medien: Die Kabul-Connection

Der Mann trägt kein weißes, wallendes Gewand, wie auf den meisten Fotos, die man von ihm gesehen hat. Wie ein Scheich sieht er auf den Fotos aus.

Der Mann trägt kein weißes, wallendes Gewand, wie auf den meisten Fotos, die man von ihm gesehen hat. Wie ein Scheich sieht er auf den Fotos aus. Mohammed Jasim Al-Ali hat einen ganz normalen hellen Anzug an, Hemd und Krawatte. Und der Mann, der dem Sender vorsteht, der wie kein anderer in den vergangenen Monaten von sich reden machte, wirkt kein bisschen großspurig, eher nüchtern, fast ein wenig nervös. Wie ein Geschäftsmann eben, der noch nicht weiß, was ihn erwartet.

Der Geschäftsführer des Senders AlDschasira spricht hervorragend englisch, doch am Donnerstagabend im Haus der Kulturen der Welt, wo die "Neue Weltordnung des Rundfunks" besprochen werden soll, hat er sich für Arabisch entschieden. Abgesehen von der Sprache, ähnelt sein Vortrag sehr dem von Günter Knabe, Asien-Chef der Deutschen Welle (DW). Beide liefern eine Senderdarstellung ab. Sie verkaufen keine Idee, sondern ein Produkt. Die Deutsche Welle als die Stimme Deutschlands im Ausland und Al Dschasira als unabhängige Stimme der arabischen Welt in der Welt.

Al-Ali verkauft sein Produkt in letzter Zeit hervorragend. Auch, wenn es da Probleme mit dem einen oder anderen Abnehmer gibt. Al Dschasira tauscht mittlerweile mit diversen europäischen, asiatischen und amerikanischen Sendern Bilder und Nachrichten aus. Mit NBC und CNN (beide USA), mit TBS (Japan), CCTV (China), ITN (Großbritannien), RAI (Italien) sowie France Television und TF1 (beide Frankreich).

Seit kurzem gehört auch das ZDF dazu, das dem arabischen Sender sogar dabei helfen soll, ein Studio in Berlin aufzubauen. Gespräche mit einem potenziellen Korrespondenten sollen schon stattgefunden haben. Dass das Interesse an Al Dschasira in letzter Zeit so zugenommen hat, hat nicht zuletzt mit den Terroranschlägen vom 11. September zu tun, mit den Kontakten in die arabische Welt, insbesondere nach Afghanistan. Al Dschasira war der einzige Sender, der in Kabul vor Ort war. Innerhalb weniger Tage wurde der Sender auf der ganzen Welt bekannt, weil er das erste Video von Osama bin Laden nach den Anschlägen ausstrahlte. Sehr zum Unwillen der US-Regierung, die das Video als bloße Propaganda bezeichnete. Auch Medienexperten in Deutschland warnten damals davor, die Äußerungen bin Ladens unbearbeitet zu senden.

Da überrascht es schon, dass es jetzt Streit zwischen Al Dschasira und CNN gibt. Ausgerechnet, weil CNN ein Interview sendete, das Al Dschasira mit Osama bin Laden geführt hatte. Der Korrespondent habe sich jedoch an die von bin Laden vorgegebenen Fragen halten müssen und nicht nachfragen dürfen. "Wir senden Nachrichten, keine Propaganda", sagte Al-Ali. Aus seiner Sicht habe CNN damit gegen die Vereinbarungen verstoßen, weil es auf illegale Weise an das Video gekommen sei. "Die Beziehungen sind dadurch getrübt und in den letzten zwei Wochen eingefroren." Das soll offenbar nicht so bleiben. Der Al-Dschasira-Chefredakteur, Ibrahim M. Helal, der eigentlich hier sein sollte, ist jedenfalls gerade geschäftlich in den USA, wie Al-Ali beiläufig bemerkt.

Also sitzt Al-Ali am Donnerstagabend auf dem Podium neben Han Soete, dem Sprecher von Indymedia, der noch nie gut auf CNN zu sprechen war. Indymedia, das "independent media center", entstand im November 1999 am Rande des Treffens der World Trade Organisation (WTO) in Seattle, als Teil der Antiglobalisierungs-Proteste. Dementsprechend geht es Soete um eine Idee, darum, dass Information "nicht zum Verkauf stehen" soll. Und darum, dass die Nachrichten nicht von einer kleinen Gruppe von Journalisten gemacht werden sollen, sondern von den "Menschen auf der Straße".

Es geht also um die Darstellung von Meinungen. Ohne Einordnung. AlDschasira wurde Ähnliches bei der Ausstrahlung der bin-Laden-Videos zum Vorwurf gemacht. In den Anfangsjahren â96/â97 habe der Nachrichtensender teilweise unter starkem Druck der katarischen Regierung gestanden, sagt Al-Ali. Doch das sei jetzt nicht mehr so. Hätten die Senderverantwortlichen früher noch in erster Linie positive Nachrichten bringen wollen, habe man mittlerweile festgestellt, dass "die schlechten Nachrichten die guten seien". Zu denen gehören auch Bilder, die zeigen, wie die afghanische Zivilbevölkerung unter den Bombenangriffen der USA leidet. Bilder, die es auf CNN nicht gab.

Diese Bilder oder die bin-Laden-Videos sind für AlDschasira vor allem auch deswegen gut, weil sie sonst keiner hat, weil sie sich verkaufen lassen. Der Sender finanziert sich mittlerweile in erster Linie aus diesen Erlösen. Auf die Unterstützung des Katarischen Emir, der AlDschasira die nötige Anschubfinanzierung bereitstellte, ist der Sender nicht mehr angewiesen. Schon bald soll es auch ein Programm für amerikanische Zuschauer geben, außerdem einen Wirtschafts- und einen Sportkanal.

Al-Ali sagt, "es geht uns um die Wahrheit". Und, dass man alle Meinungen präsentieren müsse, "auch wenn wir sie nicht teilen". Das möchte man ihm glauben. Han Soete glaubt das nicht. Er sagt, "wir sehen die Welt durch die Augen einer Hand voll VIPs. Ich sehe nicht, dass sie die Welt in Frage stellen." Indymedia misstraut Journalisten grundsätzlich. Auch einem zurü ckhaltenden Geschäftsmann wie Al-Ali?

Heiko Dilk

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