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Medien: Die Netzwerker kommen

Von Arena bis zur Telekom: Neue Wettbewerber mischen den Fernsehmarkt auf. Es ist Zeit für eine wirksamere Medienaufsicht

Der Axel Springer Verlag darf die Pro Sieben Sat 1-Fernsehgruppe nicht kaufen; aber ein Konsortium von Kabelgesellschaften erwirbt die Live-Rechte an der Fußballbundesliga; Satellitenprogramme sollen verschlüsselt werden, und Telekom wie Kabel Deutschland halten „Triple Play“ – also Gucken, Surfen und Telefonieren aus ein und derselben Leitung – für besonders zukunftsträchtig. Neue Verteilungskämpfe toben; die Medienlandschaft wird durchgeschüttelt. Der Tagesspiegel erörtert die neue Lage in drei Folgen.

Fast rührend mutet die Auflage an, unter der die Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen dem Rechte-Inhaber Arena für die Bundesliga-Liveübertragungen eine digitalen Spartenkanal erlauben will. Kabelgesellschaft und Sender, die doch eins sind, müssten wenigstens ihre Bücher getrennt führen. Ähnlich blauäugig fordert auch die EU-Kommission die öffentlich-rechtlichen Sender auf, sie mögen doch bitte schön ihre kommerziellen Aktivitäten vom eigentlichen Funktionsauftrag trennen. Schon bei der „Sportschau“, die laut Vertragsgestaltung ein Produkt der ARD-Werbung ist, wird man sich daran die Zähne ausbeißen. Tatsächlich will ja auch jeder, dass Arena senden darf. Allerdings muss auch Professor Dieter Dörrs von der KEK (Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich) noch sprechen. Und die Aufseher flehen schon, dass er nicht auf die Idee kommen möge, etwa den Kabelbesitz nach selbst erdachtem Hexen-Einmaleins in TV-Zuschaueranteile umzurechnen.

Wie aber eine Landesmediananstalt etwaige Quersubventionierung des neuen Senders durch Einnahmen bei der Infrastruktur kontrollieren oder gar sanktionieren will, steht dahin. Klar ist nur: Hier wird neues medienpolitisches Terrain betreten. Erstmals ist der Infrastrukturbetreiber auch Inhalteanbieter.

Ist Arena überhaupt ein Sender? Könnte dieser Pay-TV-Veranstalter je Mitglied im privaten Senderverband VPRT werden? Wo dieser doch programmatisch formuliert, Missbrauch sei abzusehen, wenn Netze, Plattform und massenattraktive Inhalte in einer Hand lägen. Den traditionellen Privatsendern schwant, dass zwischen Telekom und Kabelbetreibern auf der einen Seite und den gebührenfinanzierten Sendern auf der anderen künftig wenig Luft bleibt, selber noch teure Rechte zu erwerben.

Auch das Kartellamt schaut auf diese „vertikale Integration“, vermag aber vorerst nichts Böses zu erkennen. Unitiy Media, die Mutter von Arena, hat der Fußballliga allerdings schon eine Reichweite versprochen, die nur zu erzielen ist, wenn die größere Kundenzahl der Kabel Deutschland (KDG) mit von der Fußball-Partie ist. Man muss ja nicht gleich fusionieren – da würde sich das Kartellamt provoziert fühlen.

Die verwöhnte Telekom erwartet sogar im Gegenzug für die Großinvestitionen zur technischen Aufrüstung ihrer Leitungen zu HDTV-fähiger Bildübertragung eine „regulatorische Sonderbehandlung“ seitens der Bundesnetzagentur. Am liebsten würde sie wohl ein wenig von der Pflicht befreit werden, ihre Leitungen auch für andere Anbieter – wie z.B. Arcor – bereitzustellen. Aber wird die Telekom nicht unter der Hand zu einem der größten Rundfunkveranstalter? Und was ist mit „Triple Play“ – Fernsehen, Surfen und Telefonieren aus einer Steckdose? Die Grenzen verschwimmen, die Begriffe auch – und erst recht die Aufsicht, die ja Vielfalt und diskriminierungsfreie Zugänge sichern soll, weil der Markt dies von allein nicht garantiert und Medienprodukte etwas anderes sind als ein Haufen Schrauben.

Gerade beim Kabel gibt es schon rein physisch ein De- facto-Monopol, weil nicht mal eben ein zweites verbuddelt werden kann. Hierzulande ist es auch deswegen so reizvoll, aus Infrastruktur und attraktivem Inhalt ein Monopol aus einem Guss zu basteln, weil das Erlösmodell (noch) so einzigartig ist. Der Kabelbetreiber kassiert vom Endkunden, weil er so freundlich ist, ihm die schönen Inhalte ins Haus zu liefern, und er kassiert vom Sender, weil er so gnädig ist, dessen Programm einzuspeisen. Kein Wunder, dass internationale Finanzinvestoren sich gerne bei hiesigen Kabelgesellschaften engagieren.

Bleibt als Alternative der Satellit. Dort macht aber gerade der halbstaatliche Betreiber Astra auf sich aufmerksam, weil er in Zukunft eine kleine „Transpondergebühr“ erheben will, womit sich die klassischen privaten „Free-TV“-Sender unter der Hand in „Pay-TV light“ verwandeln würden. Wundern tut das nicht, denn auf Dauer kann die Werbewirtschaft allein nicht eine expandierende Medienlandschaft finanzieren. Der Endkunde soll daran gewöhnt werden, direkt für die Inhalte zu zahlen. Auch wenn diese Gebühr anmutet wie Eintritt bei Aldi – das Kartellamt hat nichts einzuwenden. Warum soll ein Eigentümer die Kosten für seine Dienste nicht mit dem Kunden aushandeln dürfen?

Zugleich würde bei solch verschlüsselter Adressierung das tatsächliche Nutzerverhalten noch deutlicher als nur durch die Quote. So könnten die Rundfunkgebühren – zu zahlen allein für die Empfangsmöglichkeit – gehörig unter Legitimationsdruck geraten. Auch darum verbünden sich nun ARD und ZDF, um sich vom Bundesverfassungsgericht ein allwetterfestes Gebührenverfahren garantieren zu lassen. Für Astra und Co. aber sind auch die Daten der 15 Millionen Empfänger ein wertvolles Gut.

Neben Kabel und Satellit gibt es aber auch in der digitalen Zukunft noch die Terrestrik. Dass einige der Landesmedienanstalten mutig voranschritten, um DVB-T zu fördern, mit dem wir digitale Signale per Zimmerantenne aus der Luft angeln können, ist eine ihrer sinnvollsten Tätigkeiten aus der jüngeren Vergangenheit. So entstand ein kundenfreundliches Basis- oder Grundversorgungsfernsehen für jedermann. Jetzt müsste aus dem Flickenteppich eine Fläche werden. Für den Gesetzgeber wäre es die Chance zu einer gestaltenden Medienpolitik, die gängigen Sender rechtlich auf diesen Übertragungsweg zu verpflichten. Das würde Wahlfreiheit schaffen und freien Empfang sichern. Dafür hätten diese Medienpolitiker von Bertelsmann oder Haim Saban allerdings kaum Streicheleinheiten zu erwarten. Denn nur wer mehr anbietet, könnte dann über Kabel oder Satellit auch mehr Geld verdienen. Stattdessen aber raunzen die einschlägigen Medienpolitiker lieber gen Brüssel, es wolle EU-Staatsfernsehen verordnen, oder appellieren wortstark, aber hilflos an die Satellitenfirmen, keine Gebühr zu erheben.

Auch dies zeigt die geringe Gestaltungskraft der gegenwärtigen Medienpolitik. Aus den Ländern kommt nichts mehr. Der simple Ansiedlungswettbewerb erschöpft sich. Der traditionellen Medienaufsicht wuchs Kraft einst aus der Frequenzknappheit zu. Jetzt kann sie die Gärtchen der lokalen Hörfunklandschaft beharken, unter dem Rubrum „Medienkompetenz“ häufig beliebig anmutende Projekte fördern, aber sie müsste auf Augenhöhe mit Astra und Eutelsat, Telekom und KDG, Bertelsmann und vielleicht morgen Murdoch oder Gazprom die digitale Zukunft ohne Monopole gestalten. Chancen dazu gibt es. Denn zur Zeit spüren sogar die klassischen Privatsender und erst recht Premiere, dass der Markt allein die Riesen nicht zügeln kann. Sie werden regulierungswillig.

Perspektivisch werden Kartellamt und Netzagentur sowie ein zentraler Medienrat zusammenwirken müssen. Der kann aus der Kooperation der Landesmedienanstalten hervorgehen, sein Unterbau mag föderal sein. Das erste Ende der Kleinstaaterei kam, als mit Eisenbahn und Zollunion unter handfester Federführung des Staates Infrastruktur entwickelt wurde. Nicht durch Besitz, sondern durch Recht muss er nun die digitalen Infrastrukturen regulieren, damit aus Herrschaft über die Netze nicht Meinungsmacht folgt. Dies wird das zweite Ende der Kleinstaaterei sein.

Bernd Gäbler war von 2001 bis 2004 Geschäftsführer des Grimme-Institutes.

Teil zwei am 25. März beschäftigt sich mit der Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen.

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