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Medien: Die Stille nach dem Schuss

Ein paar Jahrzehnte lang war die Demografie in Deutschland äußerst unbeliebt. Jeder Ruf zur Volkszählung geriet schnell unter Generalverdacht.

Ein paar Jahrzehnte lang war die Demografie in Deutschland äußerst unbeliebt. Jeder Ruf zur Volkszählung geriet schnell unter Generalverdacht. Die Bevölkerungswissenschaft galt als dienstbarer Geist der Bevölkerungspolitik, und die war bei den Nazis bekanntlich zum Verbrechen geworden. Aber nun ist alles anders. Seit wir uns als aussterbendes Volk betrachten, werden Demografen in den Medien gerne gehört. Gestrichene Professorenstellen sind neu besetzt, es schwillt die Flut populärer Publikationen. In seinem Feature „Faktor Mensch“ erzählt Rolf Cantzen von Geschichte und Gegenwart einer Wissenschaft, die heute in aller Munde ist. Wie geht das Fach mit seiner problematischen Vergangenheit um und wie mit der neu erwachten politischen Aufmerksamkeit? (Deutschlandradio Kultur, 15. März, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Im Krimi „Das ewige Leben“ verstrickt Autor Wolf Haas seine Hauptfigur in einen ominösen Selbstmordversuch. Detektiv Simon Brenner erwacht in einer Grazer Nervenklinik aus dem Koma, eine frische Schusswunde im Kopf. Selbstmordversuch wegen akuter Depressionen, so diagnostizieren die behandelnden Ärzte. Brenner glaubt ihnen nicht. Zwar sind die Tage vor dem Kopfschuss restlos aus seinem Gedächtnis getilgt, aber andere Erinnerungen lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Irgendwie läuft alles darauf hinaus, dass er mit ein paar Herren von der Polizei Probleme hatte (Deutschlandfunk, 17. März, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz, Teil 2 am 24. März).

In ihrem Feature „Der verhängnisvolle Blick“ beschäftigt sich Rosvita Krausz mit „dissozialen Persönlichkeiten“. Zur Kategorie gehören Männer, die immer wieder zuschlagen, Diebe, die pausenlos stehlen, notorische Gefängnisinsassen, die selten ein ganzes Jahr in Freiheit verbringen. Menschen mit gestörter Affektkontrolle, weitgehend frei von sozialen Regungen wie Mit- oder Verantwortungsgefühl. Die Autorin hat mehrere Männer in Gefängnissen besucht, denen die Diagnose „dissoziale Persönlichkeit“ gestellt wurde, und befragt psychiatrische und kriminalistische Experten. (Deutschlandradio Kultur, 17. März, 18 Uhr 05)

Von den unendlichen Mühen der Existenzsicherung erzählt Gesine Dankwarts Hörspiel „Täglich Brot“. Eine Gruppe zeitgenössischer Figuren, an einem Werktag morgens, im sarkastischen Monolog vor dem eigenen Spiegelbild. Gleich treten sie hinaus aus der Einsamkeit ihres Wohngehäuses, hinein in eine Existenz als Supermarktkassiererin, Angestellte in der Werbebranche, Intercity-Reisender mit Aufstiegshoffnungen. Warum eigentlich geht man jeden Morgen hinaus? Im Hörspiel scheint die Frage unbeantwortbar. Alle Figuren leiden an einer frustrierenden Arbeitswelt. Am nervenzerrüttenden Streben nach einem besseren Rang in der betrieblichen Hackordnung oder der Sehnsucht nach einer beruflichen Existenz, die so etwas wie Kreativität von ihnen verlangt (Deutschlandradio Kultur, 19. März, 0 Uhr 05).

Die Welt ist hässlich. Keiner hat das so zwingend beschrieben wie Rolf-Dieter Brinkmann. Die poetische Stimme der 68er-Revolte, der große Dichter des deutschen Beat. Auch vor der alten Stadt Rom hat Brinkmanns depressive Wut nicht Halt gemacht. Das Hörspiel „Schnitte“ bietet eine Audiocollage aus seinen römischen Tagebüchern. Eine Flut kunstvoll rhythmisierter Schimpftiraden, von Christian Brückner mit intellektueller Schärfe zu Gehör gebracht (Deutschlandfunk, 20. März, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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