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Die Uhr tickt: Dem Internet gehen die Adressen aus

Die Uhr zählt gnadenlos runter: Im März 2011 gehen dem Internet die Adressen aus. Dabei ist das Problem schon lange bekannt.

Der Zähler erinnert entfernt an die Schuldenuhr, die in den Fernsehnachrichten immer gezeigt wird, um die prekäre Haushaltslage der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Die Uhr für die verfügbaren Internetadressen weicht davon zwar ab, weil die Zahl darauf viel kleiner ist und zudem rückwärts gezählt wird, doch die Geschwindigkeit, mit der sie das tut, ist ebenfalls erschreckend. Bei derzeitigem Tempo werden die letzten Adressen in 115 Tagen vergeben sein. „Werden nicht einige wichtige Weichen gestellt, kann es zu erheblichen Problemen mit der Internetverbindung und der Erreichbarkeit von Webseiten kommen“ warnt Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Internetwirtschaft in Deutschland (eco).

Die Endlichkeit der Internetadressen hängt mit dem technischen Aufbau des weltumspannenden Netzes zusammen. Um im World Wide Web erreichbar zu sein, muss jede Internetseite und jedes angeschlossene Gerät wie beispielsweise ein Computer oder ein Internethandy eine Adresse haben. Gemeint ist damit nicht der Name der Webseite, sondern die dahinter stehende Zahlenkombination. Wird die Adresse www.tagesspiegel.de in einen Browser eingetippt, wird die Adresse 217.110.229.129 aufgerufen. Während beim eingetippten Namen theoretisch unendlich viele Kombinationen möglich sind, ist der Adressraum des Zahlensystems beschränkt. In der Sprache der Techniker werden Nummern derzeit nach dem Internet-Protokoll Version 4, kurz IPv4, sortiert.

Bei der Konstruktion des Systems Ende der 60er Jahre konnte sich niemand das enorme Wachstum des Internets vorstellen. „Unter IPv4 konnten etwa vier Milliarden IP-Adressen bereitgestellt werden – tatsächlich kann man damit nicht einmal China und Indien vollständig versorgen“, erklärt Rotert. Der Ausweg heißt IPv6. Dieses Protokoll stellt einen nahezu unbegrenzten Adressraum bereit: „Mit 340 Sextillionen IP-Adressen gibt es genug für jeden Menschen und jedes technische Gerät, das eine Internetverbindung benötigt.“ Eine Sextillion ist eine Zahl mit 36 Stellen.

Für den normalen Internetnutzer ändert sich durch den neuen Standard wenig. Aktuelle Betriebssysteme wie Windows 7 können bereits damit umgehen. Für ältere Varianten wie Windows XP gibt es ebenfalls Lösungen, nur bei Altsystemen wie Windows 98 ist nichts mehr zu machen. Zudem sollte man bei der Anschaffung eines Wireless-Lan-Routers darauf achten, dass er auch mit dem Protokoll IPv6 zurechtkommt. Vor größeren Problemen stehen die Internetprovider. Sie müssen zum Teil mehrere hundert Millionen Euro in die Erneuerung der Infrastruktur investieren. „Wer bis März nicht auf das neue IPv6-Protokoll umgestellt hat, steht möglicherweise im Regen“, warnt Rotert.

Dabei ist das Problem lange bekannt. Seit Mitte der 90er Jahre wird über den Umstieg auf das neue Protokoll diskutiert. Diese Diskussionen werden nach der Vergabe der letzten Adresse des alten Protokolls nun drängender, auch wenn ein kompletter Stillstand des Internets nicht zu befürchten ist. Michael Rotert schätzt, dass die beiden Protokolle noch mindestens zehn Jahre nebeneinander im Einsatz bleiben. Allerdings kann die Uhr auch früher ablaufen. „Vor zwei Monaten lag die Restlaufzeit für die Adressen auch noch bei 200 Tagen“, sagt Rotert.

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