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Noch ein Kredit. Brenner (Hans-Jochen Wagner) feiert Geburtstag.

© SWR/Benoît Linder

Die Welt will betrogen sein: Badischer Felix Krull

„Big Manni“ und "Big Money": Satire und Doku in der ARD zum Wirtschaftsskandal namens FlowTex.

„Ich bin sehr hoch geflogen und noch tiefer gestürzt.“ Das sagt einer, der es wissen muss. Er sitzt dabei als freier Mann auf Mallorca und gibt Auskunft über sein Leben. „Big Manni – Big Money“ heißt die Dokumentation, in der Manfred Schmider erstmals nach seiner Inhaftierung vor einer Kamera redet. Die ARD-Dokumentation von Martina Treuter und Cordelia Marsch trägt den Untertitel „Die wahre Geschichte eines Milliardenbetrugs“ und rekapituliert die schier unfassbare Geschichte von Flow-Tex, eines der größten Wirtschaftsskandale in der Bundesrepublik. Manfred Schmider, groß gewachsen, gewichtig barock, in allem kolossal, ist negativer Held wie tragischer Anti-Held gleichermaßen.

Das ARD-Publikum wird da schon von „Big Manni“ beeindruckt sein. Hans-Jochen Wagner spielt in der zuvor laufenden Film-Satire den Manfred Brenner, den Hersteller von Fassadenfarbe im tiefsten Schwarzwald. Ein kleiner Unternehmer, der groß rauskommen will mit der Firma „FlowTex“. Sein Bruder Markus Brenner (Ben Braun) ist ebenso mit an Bord wie der Techniker Armin Pfortner (Jürgen Hartmann), dessen Patent auf ein neues, scheinbar innovatives Bohrsystem für den Rohrleitungsbau Manfred Brenner bezahlt und weiterentwickeln lässt.

Brenner fängt an, für Aufträge, die gar nicht existent sind, Kredite einzuheimsen. Von den Tunnelbohrmaschinen lässt er einige Unikate anfertigen, behauptet aber, es seien erst Hunderte, dann Tausende. Die vermeintlichen Aufträge expandieren, erst regional, dann national, dann international. Die schwäbischen Banken investieren, die Politik beginnt, sich zu interessieren, um mitzuspielen. Manfred Brenner, dieser schwäbische Felix Krull, steigt in der badischen Gesellschaft auf und blendet sie alle. Er kauft Villen, Jachten, Oldtimer. Seiner Frau Irene Brenner (Nina Gnädig) schenkt er teuren Schmuck.

Schaden bis zu fünf Milliarden D-Mark

Das Eis, auf dem dieser schwere Koloss sich bewegt, wird immer dünner. Irgendwann, man ahnt es, wird es einbrechen. Es kommt der Tag, an dem Polizei und Steuerfahndung bei den Brenners zu Hause klingeln. Manfred Schmider, der einen wirtschaftlichen Schaden zwischen vier bis fünf Milliarden D-Mark angerichtet hat, wird festgenommen und eine Haftstrafe von sieben Jahren verbüßen müssen.

"Big Manni“, inszeniert von Niki Stein nach einem Drehbuch von Johannes W. Betz und Jürgen Rennecke, ist eine gelungene Mischung aus Groteske, Komödie und Realsatire, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Es reicht, dass die auf realen Geschehnissen basierende Erzählung derart unglaublich ist. Lediglich in wenigen Momenten hat die Satire kleine Längen, weil noch eine weitere Brennersche Volte geschlagen wird, die bereits einer anderen gleicht. Das kann kaum davon ablenken, wie sehr der Film von Hans-Jochen Wagner getragen wird, der sich schwäbelnd, mit reichlich Bauch und feistem Kinn, durch die Niederungen menschlicher Gier schlängelt und schlawinert. Wagner spielt diesen Brenner alias Schmider mit all seinen Facetten, seiner Ausgefuchstheit und Bauernschläue ebenso wie seiner kindlichen Liebe zu Ehefrau Irene, den Versagensängsten vor dem ihn nie anerkennenden Übervater bis hin zu jenem Gestus des stets Wissenden, des stets Überlegenen, der alles im Griff hat, sogar dann noch, als ihm längst die Polizei auf den Fersen ist. „Ich war natürlich immer ehrgeizig, ich wollte immer was machen. Ich habe mit 16 Jahren nach der Schule Lebensversicherungen verkauft. Ich war immer ein Mensch, der irgendwas tut. Ich bin irgendwann mal falsch abgebogen und hab’s nicht gemerkt.“ Auch das sagt Manfred Schmider in der Dokumentation. Es wurde zum Verhängnis seines unglaublichen Lebens.

„Big Manni“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 15; „Big Manni – Big Money", 21 Uhr 45

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