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Gut lachen. Thomas Gottschalk mit Cameron Diaz und Heidi Klum (r.) auf Mallorca. Die Show am Samstagabend hatte 12,43 Millionen Zuschauer, so viele wie lange nicht.Foto: dpa

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Medien: Die Zähmung des Monsters

Das letzte „Wetten, dass ...?“-Spezial mit Thomas Gottschalk und die Frage, wer das sonst noch machen könnte

Vielleicht könnte man sich auf eine Sache einigen, jetzt schon, egal, wer die Sendung zukünftig moderieren wird, egal, wie das Konzept aussehen wird – und egal, ob „Wetten, dass ...?“ irgendwann nur noch aus einem Studio gesendet wird: Der Redakteur, der jetzt zum wiederholten Male auf die bescheuerte Idee kam, die sogenannte Cindy aus Marzahn in die Show einzuladen, wird rausgeschmissen und kann seine ZDF-Karriere im „Fernsehgarten“ fortführen. Wenn die Verantwortlichen ein Herz und einen Fünkchen Restverstand haben, dann erfüllen sie einem Kritiker wenigstens diesen Wunsch – alle anderen Wünsche erfüllen sie ja doch nicht. Oder?

Es war also die letzte Sommerausgabe von „Wetten, dass ...?“, die Thomas Gottschalk moderiert hat. Drei Sendungen werden noch folgen, im Oktober, November, Dezember – aber das, was Samstagabend auf Mallorca passiert ist, war seine Abschiedsparty, und am Ende war es Gottschalk egal, dass er zu seinem eigenen Klischee wurde, als er zu dem Status-Quo-Hit „Rockin’ all over the world“ durch die Stierkampfarena hüpfte. Das hat er sich gegönnt, das hat er gewollt, und der Rest kann ihm egal sein.

Gottschalk ist eh’ nicht auf dem Höhepunkt abgetreten, weder auf dem Quotenhöhepunkt noch auf dem Höhepunkt seines eigenen Könnens. Aber er hat trotzdem bewiesen, dass diesen Irrsinn, diese Mischung aus Kindergeburtstag, Dorfdisco, Herrenwitz und Kaffeekränzchen nur er drei Stunden zusammenhalten kann. Und man muss sich nur einen beliebigen Moment aus der Sendung nehmen, sich Gottschalk wegdenken und sich stattdessen eine der Personen vorstellen, deren Namen in der Nachfolgediskussion immer wieder genannt werden (siehe Kasten): Markus Lanz fummelt am Kleid von Jennifer Lopez rum? Jörg Pilawa spricht mit Kevin James über Komik?

Die Kunst von Thomas Gottschalk bestand auch darin, die Dinge so einfach aussehen zu lassen, dass sie beinahe dilettantisch wirkten. Und sie bestand vor 25 Jahren auch darin, auf einer für damalige Verhältnisse modernen Bühne ein altes Konzept revolutioniert zu haben. Das danken ihm 12,43 Millionen Fernsehzuschauer, so viele wie seit langem nicht mehr – und das dankt ihm vor allem Frank Elstner, der „Wetten,dass ...?“-Erfinder, der die Moderation 1987 an Gottschalk abgab. Samstagabend revanchierte sich Gottschalk. Für zehn Minuten moderierte Elstner eine Bagger-Wette. Es war ein kleiner, großer Ausflug in die Fernsehunterhaltung 1985. Nicht besser, nicht schlechter. Anders.

Was wird sonst noch von Gottschalks letzter Sommer-„Wetten, dass ...?“-Ausgabe bleiben? Leider die Erkenntnis, die der Fernsehkritiker vor anderthalb Jahren prophezeit hat, nämlich die, dass Sebastian Vettel bis zum Rest seines Lebens mit vier Rädern in eine Unterhaltungsshow fahren muss. Es bleibt die Gewissheit, dass sich Heidi Klum – nachdem geklärt sein dürfte, dass sie weder ein Topmodel nach internationalen Maßstäben war noch eine gute Fernsehmoderatorin ist – nicht alles anziehen kann. Was beim Finale von „Germany’s Next Topmodel“ schon wehtat, war Samstagabend nur noch eine Frechheit. Natürlich bleibt die Erkenntnis, dass die Profis auf dem Sofa die US-amerikanischen Stars sind: Cameron Diaz, die offensichtlich ihren Besuch in der „Bild“-Redaktion schadlos überstanden hat, brachte Stil und Glamour in die Show, Kevin James den Hammer-Gag, dass nicht das Pferd die Kutsche zieht, in der der Promi drinsitzt. Er zog die Kutsche selbst. Beide bewiesen, dass man viel Spaß haben kann, wenn man sich auf den „Wetten, dass ...“-Quatsch einlässt, Unterhaltung als das begreift, was sie ist: nicht wichtig.

Thomas Gottschalk hat das immer verstanden: dass er ein Clown ist, dass er ein Clown war. Aber er war unser Clown, und er verschonte uns am Samstagabend mit Pathos, Tränen und großen Gefühlen. Ein paar Mal sah man im Publikum Markus Schächter, den Intendanten des ZDF, Gottschalk nannte ihn „mein Intendant“. Thomas Bellut, der am Freitag zu Schächters Nachfolger gewählt wurde und dieses Amt am 15. März 2012 antreten wird, war nicht zu sehen. Vielleicht wird Bellut mit Gottschalk nichts mehr zu tun haben. Vielleicht denkt er gerade über den neuen „Wetten, dass ...?“-Moderator nach. Vielleicht sah er die Show und ahnte, dass dieses Monster kein anderer zähmen kann. Vielleicht, dachte er da, sollte man es lieber lassen. Einerseits.

Andererseits: Selbst die beim ZDF schauen ja mal ab und zu andere Sender, selbst die müssen wenigstens ahnen, wie das heute geht mit der Unterhaltung und mit der Show. Selbst die müssen vor ein paar Wochen den Auftritt einer Frau gesehen haben, die auf einer modernen Bühne ein uraltes Konzept revolutioniert hat. Und irgendwer beim ZDF muss die Telefonnummer dieser Frau haben.

Der letzte große Wunsch eines Fernsehkritikers in Sachen „Wetten, dass ...?“ lautet: Anke Engelke. Dann kann auch die furchtbare Frau wiederkommen.

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