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Kritisiert jede Form von Wahn.  Dieter Nuhr ist einer der wenigen Kabarettisten in Deutschland, die sich in ihren Programmen mit Aspekten des radikalen Islams satirisch auseinandersetzen. Er gehört mit jährlich mehr als 200 000 Live-Zuschauern zu den erfolgreichsten Kabarettisten in Deutschland. Der 54-Jährige präsentiert nach „Nuhr im Ersten“ ab 15. Oktober ein neues Format in der ARD: „Nuhr ab 18“.

© RBB

Dieter Nuhr im Interview: „Ideologen und Religiöse haben ein Problem mit mir“

Dieter Nuhr über Spaßgrenzen beim Kabarett, Hass aus dem Netz und seine neue Nachwuchs-Show in der ARD. Ein Interview.

Herr Nuhr, Ihre Zeit ist knapp und teuer, wir haben genau 21 Minuten. Machen wir es also kurz. Wie lauten die drei Fragen, die Ihnen nie gestellt wurden, die Sie aber immer schon mal beantworten wollten?
Ich muss Sie enttäuschen: Ich denke nicht darüber nach, was mich jemand fragen könnte. Was ich sagen möchte, sage ich auf der Bühne. Und wenn etwas unbedingt rausmuss, dann sag’ ich es von selbst und ungefragt.

Was ja nicht jedem gefällt. Ist es heute das Schicksal von Kabarettisten sich unendlich beleidigen lassen zu müssen?
Das ist das Schicksal von allen Menschen, die in der Öffentlichkeit und im Internet stehen. Was mich betrifft: Es gibt eben Leute, die gerne zündeln und einem das Wort im Mund umdrehen. Das kann schon ziemlich widerlich werden. Und wenn man dann sagt, dass man es widerlich findet, dann schreibt der „Stern“ gleich, dass man die Nerven verloren habe. Und schon geht’s wieder los.

Das muss einem doch ungeheuer auf die Nerven gehen.
Es perlt nicht einfach so ab, das stimmt. Es nervt auch, weil es so ungerecht ist. Ich neige nicht zu Beleidigungen. Ich würde auch auf der Bühne immer nur Dinge sagen, die ich Leuten auch direkt ins Gesicht sagen würde. Heute hat jeder Idiot eine Internet-Stimme, das wird oft als Ausdruck größtmöglicher Demokratie aufgefasst. In diesem Sinne könnte man auch Pogrome als eine demokratische Äußerung interpretieren oder als Folge der Schwarmintelligenz feiern. Aber ich glaube nicht, dass der Schwarm intelligent ist. Wenn ich so etwas sage, wird mir gerne vorgeworfen, ich würde dramatisieren. Es stimmt, Social Media vernichtet nur sozial, nicht physisch. So gesehen ist der Shitstorm gegenüber dem Pogrom ein zivilisatorischer Fortschritt. Für viele ist es dennoch dramatisch.

Ein Leben als Hassobjekt ist sicher nicht gemütlich.
Für 98 Prozent der Menschen bin ich kein Hassobjekt, nur für die Schreihälse. Schlimm ist nur, wie die Presse überhaupt auf die Schreihälse reagiert. Sie könnte sie auch ignorieren. Die 140 000 Likes, die ich auf eine Äußerung hin bekomme, werden nicht zitiert, aber die 1000 Wortmeldungen, die rumpöbeln. Für manche bin ich anscheinend ein Projektionsobjekt ihres allgemeinen Zorns auf alles und jeden. Gerade Ideologen und Religiöse haben Probleme mit mir.

Vielleicht, weil Sie auf der Bühne Klartext reden. Wenn auch mit leiser Stimme.
Ich bringe auf der Bühne meine Haltung zum Ausdruck. Ich finde es zum Beispiel völlig irre, dass ich darüber diskutieren muss, was ich über den lieben Gott sagen darf und was nicht, eine fiktive Figur, die noch nie jemand gesprochen hat. Ich kritisiere jede Form von Wahn, religiös, ideologisch. Religionskritik war unter zivilisierten Menschen eine Selbstverständlichkeit – da erleben wir gerade einen Rückschritt. Ich möchte, dass jeder denken und sagen kann, was er will. Alles, was ich auf der Bühne mache, ist ein Aufruf zur Toleranz. Aber gerade das wird oft diffamiert von denen, die Toleranz offenbar nicht brauchen, weil sie ohnehin wissen, dass sie immer recht haben.

Gibt es Leute in Ihrem Umfeld, die Ihnen den freundlich gemeinten Rat geben, ab und zu die Klappe zu halten?
Nein, gibt es nicht. Aus gutem Grund. Weil ja nicht ich es bin, der den Lärm macht. Ich bin leise. Wenn in den Medien steht, er hat es wieder getan, zum Beispiel den Islam beleidigt, dann ist das blanker Unsinn. Mir liegt nichts ferner, als „den Islam“ zu beleidigen. Ich beleidige nicht. Ich karikiere.

Sie haben etwas mit Götz George gemein, wissen Sie das?
Oha, was könnte das denn sein?

Sie sind wie George nicht gerade gut auf „die Medien“ zu sprechen.
Es geht mir nicht um allgemeine Medienschelte. Ich finde, dass wir immer öfter erleben, wie ein Thema generiert, wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird und danach vergessen ist – war da nicht mal was mit Griechenland? Die Flüchtlinge sind da! Das schafft eine monothematisch angelegte Form der Dauerhysterie. Nehmen wir das Thema Flüchtlinge. Ich habe den Eindruck, dass es zwischen „alle rein“ und „alle raus“ kaum noch Zwischentöne zu geben scheint.

Es geht immer auch um die Frage: Was darf Satire? Müsste diese Diskussion nicht langsam mal ein Ende haben?
Schon die Frage, ob Satire alles dürfe, ist völliger Unsinn. Natürlich darf sie nicht! Für Satiriker gelten die gleichen Grenzen, wenn es um Beleidigungen oder Volksverhetzung geht, wie für jeden anderen Menschen auch. Ich stehe doch als Satiriker nicht außerhalb des Gesetzes. Alles andere sind Geschmacksgrenzen. Mein Geschmack deckt sich offensichtlich mit dem meines Publikums, sonst würde ja keiner mehr kommen. Meine Geschmacksgrenze ist das einzige Kriterium, das ich habe. Wenn jemand einen anderen Geschmack hat, kann er ja weggucken, ausmachen oder rausgehen. Damit habe ich kein Problem.

Aus aktuellem Anlass die Gretchen-Frage. Wo hört der Spaß für Sie auf? Oder andersherum: Wo fängt er an?
Ich mache gerne Großes klein und Kleines groß. Das entspricht meinem Humor. Die großen Fragen veralbern, die kleinen aufblasen, daraus entsteht Witz. Ich habe aber auch nichts gegen primitive Witze. Die Körpermitte ist schon ein ziemlich witziger Bereich. Der Humor, den ich selbst schreibe und aufführe, ist allerdings meist anders, eher kabarettistisch. Aber ich kann auch über Leute lachen, die einfach Blödsinn machen. Ich denke nicht ständig darüber nach, ob das dann meinem Niveau entspricht oder nicht – völlig egal. Bei uns wird gerne über so was diskutiert. Mir ist es wurscht.

Wer lacht, hat immer recht?
Wer als Komiker sein Publikum zum Lachen bringt, der hat schon viel geschafft. Ob er dann auch recht hat, ist eine andere Frage.

Ok, jetzt aber endlich zur Jugend und zum Fernsehen – worauf dürfen wir uns freuen, wenn Sie am 15. Oktober im Ersten mit einer neuen Show starten? Sie präsentieren in „Nuhr ab 18“ die junge Comedy-Generation. Eine Comedy-Mix-Show...
Mix-Show ist ein Fachausdruck, der aus der amerikanischen Comedy kommt. Ist also keine Erfindung des RBB. Zur Show: Mich hat überrascht, was es alles an Lustigem gibt. Ich hab mich bei der Vorauswahl tatsächlich gut amüsiert – und ich bin ein echt mieses Publikum. Ich glaube, man kann sich auf das freuen, was wir präsentieren.

Sie stellen die Künstler nur vor. Treten Sie kürzer?
Nein. Ich will noch mit 90 auf der Bühne stehen. Wie Johannes Heesters. Der, als er aus der Klinik entlassen wurde, sagte, „Frauen, lasst euch liften, ich kann wieder sehen“. Sehr souverän. Ich trete auch bei „Nuhr ab 18“ selber auf, allerdings nur am Anfang.

Sind Sie kritikfähig?
Sehr. Aber Kritik wird heute gern mit Pöbelei verwechselt. Da unterscheide ich schon recht deutlich.

Dann wollen wir mal: Kann es sein, dass Sie in letzter Zeit hin und wieder bei sich selbst abgeschrieben haben?
Ich habe gerade ein neues Programm geschrieben, da werden Sie nichts aus meinen früheren Programmen finden. Aber in Fernsehsendungen landen auch Texte aus dem Bühnenprogramm und umgekehrt. Das geht gar nicht anders, und das finde ich auch okay. Wer wirklich alle Bühnenprogramme kennt, der bemerkt natürlich, wenn die Texte auch in Sendungen vorkommen. Das habe ich schon immer so gemacht, nicht nur in letzter Zeit. Das machen alle. Normal.

Was macht Ihnen am meisten Spaß?
Tennis spielen und Reisen. Ich bin auch sexuell aktiv, aber da würde ich jetzt ungern ins Detail gehen. Ich habe viel Freude am Leben.

Das Gespräch führte Thomas Eckert.

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