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Fast 80 Prozent aller Einkäufe werden in Deutschland immer noch bar erledigt.

© dpa

Digitale Spuren vermeiden: Bargeld befreit

Vom Discounter bis zum Bioladen, vom Kino bis zum Restaurant, überall hinterlässt man beim Bezahlen seine Daten. Noch kann sich ganz einfach dagegen wehren.

Neulich habe ich nach dem Tanken gegen alle Gewohnheit meine Rechnung bar bezahlt und spürte dabei ein richtiges Glücksgefühl. Ich kam mir vor, als hätte ich einem Gegner ein Schnippchen geschlagen. Ich hatte getankt und keine Spuren im Abrechnungssystem hinterlassen. Frei kam ich mir vor.

Was selten genug ist, wenn man sich als Konsumbürger durch die westliche Welt bewegt! Allgegenwärtig die Einladung zum Sich-Identifizieren, zum Spurenhinterlassen. Im Discounter oder Bioladen, in der Shoppingmall, im Kino, beim Frisör, an Tankstellen, in Restaurants – an fast allen Kassen ist zum Karte-Einschieben ein Bezahlgerät vorhanden. Kein Gesuche hier nach Passendem, kein Gesuche da nach Wechselgeld, alles wird gegen Geheimzahl oder Unterschrift auf den Cent genau beglichen.

Praktisch, aber möglicherweise eben auch verhängnisvoll – wie die ganze Datenhinterlasserei, die durch Smartphones, Facebook, Apps & Co. überhandgenommen hat, wobei parallel zur explodierenden Datenhinterlasserei immer deutlicher wird, dass diese Daten nicht sicher sind, dass sie Handelsware sind, Ausspähmaterial. Somit ist das Bargeld demjenigen, der auf die vielen Datenproduziergeräte der Neuwelt nicht verzichten will, der letzte subversive Akt. Eine letzte verbliebene Möglichkeit, doch noch einmal laut NEIN zu sagen zu dem, was die digitale Revolution aus Privatheit und informationeller Selbstbestimmung gemacht hat: Schlagworte für Verschwörungstheoretiker, Technikfeinde, Gestrige und sonstige Idioten.

Dänemark will keine neuen Scheine und Münzen herstellen

Aber nun ist offenbar auch das Bargeld in Gefahr. Aus Dänemark verlautet, man werde die Münz- und Scheinherstellung Ende 2016 einstellen, und kleinere Läden und Tankstellen können ab Jahreswechsel auf Kartenzahlung bestehen. Schon jetzt werde, wer in Dänemark Bares zückt, seltsam angeschaut, sagen Menschen, die dort waren. Das ist in den USA nicht anders.

Noch hält hierzulande Umfragen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung dem Baren die Treue. Und vielleicht weniger aus romantischen denn aus vorausblickenden Gründen. Dem Schritt in die unbare Welt werden weitere folgen – vielleicht hin zu den personalisierten Preisen, wo jeder das zahlen muss, was ein Algorithmus als maximalen Preis errechnet hat. Oder gleich ganz hin zum überwachten Einkauf? Dass die Krankenkasse einen Hinweis bekommt, wenn schon wieder beim Konditor geshoppt wird? Hin jedenfalls zum völlig gläsernen Menschen.

Dies im Kopf, musste ich mich auf dem Weg von der Tankstellenkasse zurück zum Auto beherrschen, um nicht die Faust zu schütteln – was dann womöglich von einer der Überwachungskameras gespeichert worden wäre.

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