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Unterhaltungskünstler, nicht Blogger, so sieht sich Rezo, der sich auf der ersten rein digitalen re:publica mit Markus Beckedahl unterhielt.

© Tsp

Digitalkonferenz re:publica: Tücken der Technik – Greenscreen statt Bällebad

Die Webseite zeitweise überfordert, das Studiobild etwas hektisch, aber das große Ziel erreicht. Trotz Corona finden re:publica und Media Convention statt.

Die re:publica 2020, wegen der Corona-Veranstaltungsverbote die erste reine digitale re:publica, kämpfte am Donnerstag mit den Tücken der Technik. Zum Start vertröstete minutenlang ein Laufband mit „Gleich geht es los“ die virtuellen Besucher der seit 2007 bestehenden Veranstaltung. Auch später war die zentrale Webseite re-publica.tv zeitweise überlastet, so dass man die Streams besser via Youtube, Facebook oder Alex-TV verfolgte. Online-Live ist eben doch nicht gleich Real-Live. Ganz davon abgesehen, dass viele Dauergäste das Bällebad, Bratwürste und das Klirren umgeworfener Flaschen vermissten.

Wo sonst bis zu 1000 Sprecher und Sprecherinnen an mehreren Tagen auf bis zu 25.000 Besucher trafen, wurde auf der remote-re:publica und der angeschlossenen Media Convention Berlin auf vier Kanälen ein kompaktes eintägiges Stream-Programm geboten. Weil sich eine Reihe von Sponsoren gefunden hatten, musste diesmal kein Eintrittsgeld gezahlt werden. Alle Streams zusammengenommen und ergänzt um die Deep-Dive-Diskussionskanäle kam man dennoch auf eine Gesamtlänge von mehreren Tagen. Eine re:publica ohne Überangebot an Diskussionen ist auch in Coronazeiten eben keine re:publica.

Über 100.000 Stream-Aufrufe

Allein die vier re-publica.tv-Kanäle wurden über 100.000 Mal aufgerufen. Und mehrere hunderte Besucher nutzten die virtuellen Diskussionsmöglichkeiten der „Deep Dive“-Räume im Anschluss an die jeweiligen Vorträge.

Doch wie fühlt sich re:publica remote an? Besonders ungewohnt vor allem für die die Macher selbst, die in einem Greenscreen-Studio standen. Für die Zuschauer an den Smartphones, Tablets oder Computern erinnerte das zwangsläufig an ein herkömmliches TV-Nachrichtenmagazin. Allerdings merkte man den Moderatoren an, dass ihnen das direkte Publikum fehlte – der hektische Eindruck wurde durch die sich ständig drehende Weltkugel und die diversen Laufbänder im Hintergrund noch verstärkt.

Re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl vermisste es vor allem, die Besucher in der Station in den Arm zu nehmen und hoffte auf eine Fortsetzung der analogen re:publica im nächsten Jahr. Re:publica-Geschäftsführer Andreas Gebhard gab zwar weiterhin Interviews, konnte aber diesmal keine Gruppen übers Gelände führen.

Eine Hauptbühne gab es auch diesmal. Der Kanal hieß ASAP1 – benannt nach dem diesjährigen Motto „As Soon As Possible“. Hier wechselten sich der Youtuber Rezo, Außenminister Heiko Maas, CDU-Blogger Ruprecht Polenz, Kultursenator Klaus Lederer, CCC-Hackerin Constanze Kurz, Internet-Miterfinder Vinton Cerf, die Grüne Renate Künast, Jutta Allmendinger, Cory Doctorow und Bernhard Pörksen das Mikrofon fast nahtlos ab. Als letzter Programmpunkt war am Abend DJ-Set John Collins vorgesehen.

Ein Jahr Zerstörung der CDU, darüber sprach Markus Beckedahl mit Rezo. Wobei es zunächst einmal darum ging, was Rezo ist und was nicht. Als Blogger sah er sich jedenfalls nicht, diese Schublade würde von der Presse immer nur für diejenigen verwendet, von denen man sich abgrenzen wolle. „Was ich am meisten bin, ist Künstler. So werde ich am stärksten wahrgenommen, auch wenn Informatiker das ist, was ich am meisten mache, auch wenn man das nicht sieht.“

Sein Schwerpunkt sei Unterhaltung, andere Themen wie Politik spielen nur am Rande eine Rolle. So habe er den Druck, nach dem CDU-Video gleich was Neues zu machen, nicht an sich heran gelassen. „Ich war happy mit dem CDU-Ding. Wenn ich damit zufrieden bin und es geht läuft, dann ist es immer ein Scheißidee, so etwas noch mal zu machen“, sagte Rezo.

Markus Beckedahl wollte von Rezo wissen, wie man sich gerade jetzt für eine bessere Welt engagieren soll: „Mein Ansatz ist, viel Zeit reinzustecken. Mach‘ es zu deinem Hobby, wenn du mehr machen möchtest. Auf Twitter etwas liken ist das eine, aber sich hinhocken und was Konstruktives auf die Beine zu stellen, alleine oder mit Freunden, ist immer cooler als nur etwas zu teilen.“

Heiko Maas und die grundsätzlichen Fragen

Bundesaußenminister Heiko Maas kam mit dunklem Hemd und passender Krawatte ins Studie, auf eine Jacke hat er verzichtet. Auf das persönliche Zusammentreffen will er nach der Coronakrise zwar nicht verzichten, aber er habe festgestellt, dass aus Klimaschutzgesichtspunkten Videokonferenzen eine funktionierende Alternative sind.

Zudem begrüßte er die Diskussion über die öffentliche Wertschätzung und Bezahlung von Berufen wie Supermarktkassierer, Pflegekräfte, die Transportberufe, die alle systemrelevant sind. „Nach der Krise wird nichts mehr sein wie zuvor. Das will ich auch gar nicht. Wenn sich die Menschen mit ein paar grundsätzlichen Fragen und weniger mit Oberflächlichem beschäftigen, wenn daraus nachhaltige Effekte einer neuen Nachdenklichkeit entstehen, dann hat die Krise wenigstens einen positiven Effekt hinterlassen“, sagte Heiko Maas.

Und kündigte an, dass Deutschland nach der Übernahme der europäischen Ratspräsidentschaft das Thema Flüchtlinge nicht unter den Tisch fallen lassen wird. Er habe wenig Hoffnung, dass es in Zukunft grundsätzlich gelinge, eine europäische Lösung dieser Thematik zu finden. „Die Länder, die nicht bereit sind Flüchtlinge aufzunehmen, müssen an anderer Stelle mehr Verantwortung übernehmen“, forderte er.

Lederer kündigt Bundesratsinitiative an

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat angesichts der Corona-Krise von Bund und Ländern weitere Unterstützungsmaßnahmen für den Kulturbereich gefordert. Kunst und Kultur seien für die Gesellschaft und die Demokratie „extrem systemrelevant“, sagte Lederer am Donnerstag auf der Digitalmesse re:publica in Berlin. „Künstlerinnen und Künstler beleben den Alltag“, das mache die aktuelle Krise sehr deutlich. Lederer kündigte für kommende Woche eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Stärkung und Aufrechterhaltung des Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativbereichs an. Er erhoffe sich in der Länderkammer breite Unterstützung aus anderen Bundesländern. Im Kanal der Media Convention Berlin wurde unter anderem über lokaljournalistische Vielfalt im Umbruch diskutiert. Gerade im Moment falle den Menschen auf, was ihnen wichtig ist. Und dazu gehöre auch der lokale Journalismus, sagte Juliane Adam, die Geschäftsführerin von Radio Potsdam. „Radio machen macht gerade jetzt unfassbar viel Spaß, weil wir so viel bewirken können – wenn der der finanzielle Druck nicht so groß wäre.“

„Wir werden wahrgenommen und zitiert wie noch nie“, sagt Sebastian Turner

„Wir werden wahrgenommen und zitiert wie noch nie“, berichtet auch Sebastian Turner, der Herausgeber von Tagesspiegel und Potsdamer Neuesten Nachrichten. Dies liege zum einen am lokaljournalistischen Angebot unter anderem mit den zwölf digitalen Bezirksnewsletter, die zu den größten Lokalausgaben der Region gehören. Der Tagesspiegel habe zudem seine Redaktionen für Wissenschaft und Medizin in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut. Beides bringe enorme Reichweitensprünge. „Wir haben online so viele Nutzer wie nie zuvor und können nun bundesweit richtig punkten.“ Aber auch hier mit der Einschränkung, dass die Werbeeinnahmen durch die Coronakrise um bis zu 80 Prozent eingebrochen sind.

Das Publikum im Blick behalten

Die Länder Brandenburg und Berlin wollen mit einem gemeinsamen Medienstaatsvertrag die lokaljournalistischen Angebote stärken. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg erarbeitet derzeit ein Konzept zur Umsetzung. Radiofrau Juliane Adam wünscht sich vor allem einen pragmatischen, unbürokratischen Ansatz – und vor allem schnelle Ergebnisse, damit nicht bis zur Fertigstellung die Hälfte der Anbieter vom Markt verschwunden sind.

Sebastian Turner hält die Förderung von Journalismus wegen seines gesellschaftlichen Wertes für gut und richtig. Es wäre jedoch falsch, dass öffentlich-rechtliche Modell auf die unabhängige private Medienwirtschaft zu übertragen. Die Förderung sollte plattformunabhängig sein und das Publikum im Blick haben, als Anreiz für die Medien, die Produkte zu verbessern. Ein Weg dazu könnten Gutscheine sein. „Wir müssen so gut sein, dass die Menschen diese Gutscheine einsetzen wollen“, sagte Turner.

Bei der Diskussion im MCB-Channel saßen sogar ausnahmsweise drei Diskutanten im Studio, das blieb bei der re:publica 2020 die Ausnahme. So spontan wie sonst konnte man somit nicht auf die Redebeiträge reagieren. An der Bandbreite der Themen hat sich indes wenig geändert. Die Coronakrise und deren gesellschaftliche Folgen, der Umgang der Zivilgesellschaft damit, die Probleme beim Home-Schooling und neuen Formen der digitalen Zusammenarbeit, nahmen einen

großen Raum ein. Aber selbst dann, wenn Corona vorbei ist, sagte Beckedahl, bleiben andere gesellschaftliche Probleme wie der Klimawandel bestehen.

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