zum Hauptinhalt
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, fühlt sich von der Unterhaltung bei ARD und ZDF nicht immer unterhalten.

© dpa

Diskussion bei ARD und ZDF: Welche Unterhaltung hätten's denn gerne?

Die Ministerpräsidenten wollen die Unterhaltung aus dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag nehmen - was ein großer Fehler wäre. Ein Kommentar.

Fasst man grob zusammen, was Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im "Zeit"-Interview zur Frage künftiger öffentlich-rechtlicher Unterhaltung gesagt hat, dann weiß man eines besser als das andere: Man weiß, was der Nürnberger nicht gerne bei ARD und ZDF sieht: also Comedians, den hundertsten Degeto-Spielfilm, Hollywood-Blockbuster, auch nicht jede Show gefällt dem Politiker.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Was man nicht weiß: Welche Unterhaltung sollen ARD und ZDF anbieten, wenn dieses Programmgenre nicht im Auftrags-Bouquet festgeschrieben? In diese Richtung läuft nämlich die Diskussion unter den 16 Bundesländern, wenn sie den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag reformieren wollen. Information, Bildung, Kultur sind gesetzt, Unterhaltung soll dagegen wegfallen, zugleich Programmpunkt bleiben, sofern sie dem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht. Aus dem Muss zu unterhalten könnte ein Kann zur Unterhaltung werden.

Was die Länderchefs zu diesem Downgrade veranlasst, das gibt es bisher nur als Vermutung: Offenbar wird aus der Erkenntnis (wenn sie denn eine ist), dass ARD und ZDF die quotenträchtige Unterhaltung Information, Kultur und Bildung vorziehen, die Überzeugung gewonnen, dass weniger Spielfilme und Shows und Comedians unweigerlich zu mehr "Tagesschau", zu mehr Theaterübertragungen und zu mehr Relativitätstheorie führen. Tatsächlich hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen bei Kultur und Bildung an Einsatz und Ehrgeiz verloren. ARD und ZDF sind zu echten Konkurrenten der Privaten geworden, das ZDF ist mittlerweile im zehnten Jahr Marktführer im linearen Programm. Dieser Erfolg hat seine Schattenseiten, diese Flut an "Bares für Rares", Krimis und Quiz hat viel von dem weggespült, was unter Kultur und Bildung zu summieren ist.

Mehr Öffentlich-Rechtliches wagen!

Ja, das stimmt schon, im Kern können die Öffentlich-Rechtlichen wieder öffentlich-rechtlicher werden. Kernfrage ist, ob ein Weniger an Unterhaltung das geeignete Mittel zum Zweck ist. Auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gilt der schlichte Grundsatz: Mit Speck fängt man Mäuse. Also spült der "Tatort" am Sonntag der anschließenden politischen Talkshow "Anne Will" ein großes Publikum zu, die endlosen "Soko"-Reihen im Zweiten fundamentieren den Erfolg der "heute"-Nachrichten im Zweiten um 19 Uhr.

Ein Weniger an Unterhaltung kann bedeuten, dass geringeres Zuschauerinteresse an den Angeboten von ARD und ZDF sogleich die Bindung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit an seine Finanzierung erodieren lässt. Das kann, das muss so nicht kommen, stellt sich dieser Effekt aber ein, dann muss die Rundfunkpolitik mit großem Einsatz dafür argumentieren, warum es diesen beitragsfinanzierten, üppig ausgestatten Rundfunk braucht. Wer an der Unterhaltung dreht, dreht an mehr Rädchen, als ihm lieb sein kann.

Goethe, Einstein, Wagner

Bei Goethe, Einstein, Wagner werden in Deutschland gerne alle katholisch, diese Größen sind festgemeißelt im Kanon, wer daran rüttelt, der hat schon verloren. Dann lieber die Unterhaltung zum Exempel. In der Trauer sind wir schnell beieinander, bei der Frage, was uns einzelne amüsiert, lachen macht, vom Alltag enthebt, darüber gehen die Ansichten ganz schnell auseinander. Was ja die Festigkeit beim Begriff der Unterhaltung so rasch schwinden lässt. Wer sich jetzt die In-und-Out-Liste des bayerischen Ministerpräsidenten in Erinnerung ruft, der erfährt immens viel über dessen Geschmack und nahezu nichts, was Unterhaltung, also öffentlich-rechtliche Unterhaltung ausmacht, ausmachen sollte. Und Markus Söder ist nur einer von 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit 16 Geschmäckern.

Die Rundfunkpolitik sollte vom Versuch, eine Unterhaltung definieren zu wollen, die dem öffentlich-rechtlichen Profil entspricht, ablassen. Der Fernsehgeschmack der 16 Staats- und Senatskanzleien hat keine Evidenz. Es sollte ARD und ZDF überlassen bleiben, was sie dem Publikum anbieten wollen. Auch wenn man bei einzelnen Angeboten den Kopf schütteln möchte, ist es unweigerlich so, dass in den Anstalten die Profis sitzen. Dabei sollte es bleiben, im Ende sind es die Zuschauerinnen und Zuschauer, die den Daumen heben oder senken und damit das Entertainment-Programm formen. Die Unterhaltung solle Bestandteil des Auftrags bleiben, das führt zu mehr Anstrengung als die Freiwilligkeit.

Quadriga im Auftrag

Was die Rundfunkpolitik anstreben sollte: Dass aus der Quadriga von Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung ein equilibristisches Programm wird, also Balance und Gleichgewicht angestrebt werden. Durch eine Reduktion von Unterhaltung ist noch kein Mehr an Nicht-Unterhaltung gewonnen. Und es ist schon der Schweiß der Edlen wert, nicht das x-te Quiz mit einem Plus an Wissensvermittlung gleichzusetzen. Oper, Theater, Kunst, diese Unterhaltung lässt sich nicht durch Krimi, Show und Ratespiel substituieren.

Wenn ARD und ZDF qua Auftrag zur Unterhaltung verpflichtet werden und weiter dazu verpflichtet sein wollen, müssen sie nachweisen, welchen erweiterten Unterhaltungsbegriff sie ausstrahlen wollen. Denn in einem Punkt hat Markus Söder schon Recht: der hundertste Degeto-Film am Freitag allein kann es nicht sein.

.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false