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Medien: Diskussion über Dilemma

Ein ARD-Film wagt sich an ein schweres Thema: Darf die Polizei foltern? Premiere vor Berliner Schülern

„Es gibt im Leben Situationen, in denen man nur falsch handeln kann“, sagt der Richter, der gerade Kriminalhauptkommissar Martin Beltz (Christian Berkel) zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt hat. Und dann: „Meinen Respekt haben Sie.“ Es ist ein schwieriges Thema, an das sich der Film „Eine Frage des Gewissens“ heranwagt. Der Film, den die ARD am 29. März um 20 Uhr 15 ausstrahlt, beschäftigt sich mit der Frage, wie weit ein Polizist gehen darf, um Leben zu retten. Kriminalhauptkommissar Martin Beltz verhört einen Verdächtigen, der mutmaßlich zusammen mit seinem Bruder die siebenjährige Mirjam entführt hat. Das Kind ist zuckerkrank, und jede weitere Stunde ohne Insulin ist lebensgefährlich. Der Verdächtige verweigert aber jede Aussage. Beltz nimmt ihn brutal in den Polizeigriff, bricht ihm den Arm. Dann verrät er das Versteck. Das Mädchen wird gerettet. Der Polizist wird vom Dienst suspendiert. Seine unerlaubten Verhörmethoden bringen ihn schließlich vor Gericht.

Am Freitagabend ist „Eine Frage des Gewissens“ in der Friedrich-Ebert-Stiftung erstmals der Öffentlichkeit gezeigt worden. Eingeladen waren 70 Schüler aus dem John-Lennon-Gymnasium in Mitte und dem Fichtenberg-Gymnasium Steglitz. Die Gymnasiasten der zwölften und 13. Klasse diskutierten im Anschluss an den Film unter anderem mit dem Berliner Innensenator Ehrhart Körting, Schauspieler Christian Berkel, Verfassungsrechtler Christoph Gusy und Regisseur Thomas Bohn. Es war eine ungewöhnliche Erstaufführung, was wohl damit zu tun hat, dass sich ein fiktionaler Film eigentlich immer für ein – zumindest moralisches – Richtig oder Falsch entscheiden muss, was in diesem Falle aber schwer bis unmöglich erscheint. Zunächst scheint sich der Film auf die Seite des Polizisten zu schlagen. Beltz bekommt von den übrigen Figuren viel Verständnis für seine Verhörmethode. Doch nach seiner Kündigung bei der Polizei schicken ihn die Macher des Films zu einer dubiosen Sicherheitsfirma, bei der er sich zum Fiesling entwickelt, am Ende aber wieder auf den rechten Weg zurückfindet. Ist die moralische Indifferenz des Film auch so für die Zuschauer verständlich?

Der Test vor Berliner Schülern. Was denken sie? Einer fragte, ob Artikel eins des Grundgesetzes, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, auch den Entführer schütze. „Hat ein Mensch noch Würde, wenn er ein Kind entführt?“ Verfassungsrechtler Christoph Gusy nannte die Frage eine „Provokation“ und stellte klar, dass jeder Mensch Würde habe, ganz egal, wie er sich verhalte. „Das ist eine hohe rechtsstaatliche Errungenschaft, die wir in Deutschland spät und mühsam gelernt haben.“ Eine Schülerin forderte trotz menschlicher Gefühle die Professionalität des Polizisten ein. Regisseur Thomas Bohn antwortete, dass es mit Abstand leicht sei, darüber zu urteilen. „Aber wenn eine beschützenswerte Person da ist, ist der Abstand weg.“

Eine Kluft war zu spüren zwischen den Schülern mit ihrem starken Gerechtigkeitsempfinden und den Erwachsenen auf dem Podium, die Fragen zum Film aus professioneller Sicht beantworteten. Eine Schülerin kritisierte, dass Hauptkommissar Beltz sich im Film in die Mutter des entführten Mädchens verliebt. „Die Liebe hat das Thema sehr emotionalisiert.“ Regisseur Bohn erklärte, dass man dadurch das Publikum erreichen wolle. „Abends entscheiden die Frauen, was gesehen wird, und die schauen gerne zu, wenn rumgeschmust wird.“

Wie eine Versöhnung beider Seiten mutet an, was Schauspieler Christian Berkel sagte. Das Folterverbot dürfe nicht aufgeweicht werden, doch das Dilemma bleibe: „Es ist intellektuell leicht und emotional schwer, Position zu beziehen. Es ist keine Frage nach dem Richtig oder Falsch, sondern wie man mit dem Falschen richtig umgeht.“

Dorothee Schmidt

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