zum Hauptinhalt

Medien: Dittsche im Media Player

Fernsehen ohne Zeitzwänge: Die großen Sender stellen immer mehr Sendungen ins Internet

Mit der beschaulichen Kamin-Atmosphäre am Krimi-Freitag ist es vorbei: „Wo Kommissare wie ,Der Alte‘ zuvor mit staatstragender Noblesse ermittelten, verbreiten die Ordnungshüter aus Berlin-Kreuzberg jetzt Chaos und Verzweiflung“, kündigte „Spiegel online“ die vor zwei Wochen gestartete neue ZDF-Serie „Kriminaldauerdienst“ an. Neu an „KDD“ ist nicht nur der mitunter verstörende Realismus, der mehr mit „Lost“ und „24“ als mit dem „Alten“ oder „Derrick“ zu tun hat. Neu ist auch, dass man diese ZDF-Serie bereits einen Tag vor der TV-Ausstrahlung im Internet sehen kann – in voller Länge und in fernsehtauglicher Vollbildqualität.

Die „KDD“-Preview ist Teil des neuen ZDF-Konzepts für das sogenannte Abruffernsehen im Internet. Bis Ende des Jahres soll rund die Hälfte des ZDF-Programms über das Internet abrufbar sein, hatte Intendant Markus Schächter gerade erst angekündigt. „Wir sehen darin keine Bedrohung, sondern eine Chance“, hatte Schächter diesen Schritt erläutert, mit dem der Mainzer Sender vor allem die Zielgruppe der jungen, unabhängigen und internetaffinen Menschen ansprechen will, die nicht mehr bereit sind, sich den Zwängen des „Echtzeitfernsehens“ zu unterwerfen.

Und die Zielgruppe nimmt das Angebot der Online-Mediathek offensichtlich an: Bereits nach den ersten Tagen zählte das ZDF beim „Kriminaldauerdienst“ 45 000 Internet-Abrufe, sagte Sprecher Walter Kehr dem Tagesspiegel. Auch wenn das Interesse danach etwas nachgelassen hat, ist der Sender mit 70 000 KKD-Abrufen für die beiden bislang ausgestrahlten Folgen sehr zufrieden. Zumal man wissen muss, dass eine Sendung immer nur eine Woche im Netz bleibt. „Genau wie bei der BBC und in den Niederlanden verfahren wir nach dem Prinzip ,Seven Days Catch Up’ “, erklärt Kehr. Danach werden die Sendungen aus dem Online-Angebot herausgenommen, um auch gar keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass es sich beim Abruffernsehen keineswegs um kommerzielles Video on demand (VOD) handelt. „Dafür haben wir keine Ermächtigung, und dafür werden die TV-Gebühren auch nicht gezahlt“, entgegnet der Sendersprecher der Kritik, die von Seiten des privatwirtschaftlichen Senderverbandes VPRT geäußert wird. Das zeige sich auch an der Auswahl der Sendungen. „Im Internet haben wir es immer mit einer weltweiten Ausstrahlung zu tun, darum scheiden Hollywood-Filme und Sport für uns ohnehin aus“, so Kehr. Keine Probleme gibt es dagegen bei Eigenproduktionen, seien es aktuelle Nachrichtensendungen, Magazine wie „Frontal 21“ oder „Wiso“ oder Reportagen und die meisten Dokus.

Unter kritischer Beobachtung steht das ZDF auch von Seiten des privaten VOD-Anbieter Maxdome aus der Pro Sieben Sat 1-Gruppe. Anders als beim ZDF müssen die Zuschauer dort zahlen, wenn sie Movies wie „Aeon Flux“, Serien wie „Lost“ oder „Desperate Housewives“, Comedys wie „Stromberg“ oder „Kalkofes Mattscheibe“ und TV-Produktionen wie „Unter Mordverdacht“ über das Netz abrufen. Maxdome bietet dazu verschiedene Abo-Pakete an für Comedys, Serien, Movies zwischen 4,99 Euro und 9,99 Euro und das alles umfassende Premium-Angebot für 19,99 Euro im Monat. Man kann aber auch einzelne Angebote als Pay Per View (PPV) abrufen. „Derzeit haben wir 150 000 aktive Nutzer, die in der Woche mindestens einen Stream abrufen“, fasst Maxdome-Sprecher Christian Senft die Nutzerakzeptanz nach einem halben Jahr Sendebetrieb im Internet zusammen. Einen Teil der Serien konnte man bei Maxdome überdies schon seit längerem gegen ein entsprechendes Entgelt vorab über das Netz beziehen, was mit ein Grund dafür ist, dass Senft die Ankündigung des ZDF gelassen sieht. Solange dessen Angebot tatsächlich – wie bislang in der Mediathek – programmbegleitend angeboten wird, sei alles in Ordnung. „Zum Problem wird es dann, wenn das ZDF oder ein anderer öffentlich-rechtlicher Sender teuer eingekaufte Programmware kostenlos über das Internet verbreitet“, warnt Senft.

Das Internet-Angebot der ARD ist im Gegensatz zum ZDF noch etwas unübersichtlich. „Wir arbeiten daran, unsere Angebote zu bündeln und zu verbessern“, sagt ARD-Onlinekoordinatorin Heidi Schmidt. Bereits jetzt sind über daserste.de, ard.de und die Seiten der Landesrundfunkanstalten wie swr.de zahlreiche Videos kostenfrei abzurufen, die die Vielfalt des ARD-Programms widerspiegeln, darunter komplette „Maischberger“- und „Beckmann“-Ausgaben, „Dittsche“, „ARD-Ratgeber“, „Scheibenwischer“, ausgewählte „Morgenmagazin“- und „Weltspiegel“-Beiträge oder auch ein Best-of-„Harald Schmidt“, manches für einen Tag im Netz, manches länger verfügbar. Ein multimedialer Klassiker ist der Abruf von ARD-aktuell-Sendungen und Beiträgen unter tagesschau.de. Internet-Wiederholungen von Politmagazinen wie „Report Mainz“ wiederum laufen unter swr.de.

Wer ARD-Sportsendungen verpasst hat, muss hoffen, dass die Rechtslage eine spätere Verwertung im Internet überhaupt zulässt. Nicht alles geht 1:1. So hat die Telekom die Onlinerechte für die Bundesliga erworben. Daher finden sich in der „Mediabox“ (verantwortet vom WDR) zwar Interviews und Fotos zum Bundesliga-Spieltag oder auch der Handball-WM, aber keine bewegten Bilder und Spielberichte. Bei der Ski-WM zuletzt war das anders. Da sind Siegesläufe wie der von Anja Pärson im Super-G komplett über sport.ard.de zu sehen.

Mit RTL Now! bietet der Kölner Privatsender Unterhaltungs-Highlights zum Abruf über das Netz an – und hält damit vor allem Seriensüchtige bei der Stange. So weit wie Maxdome ist RTL noch nicht, das kostenpflichtige Portal der Kölner soll in den kommenden Wochen und Monaten sukzessive ausgebaut werden, so Sushel Bijganath, Geschäftsführer Online bei RTL interactive. Bereits jetzt bei RTL Now! zu sehen sind: die Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (als Einzelfolge 1,99 Euro oder als Jahresabo 79,99 Euro), „CSI Miami“ und „CSI – Den Tätern auf der Spur“ (die Folgen der jeweils aktuellen Staffel) und „Deutschland sucht den Superstar“ (alle 20 Shows, jeweils ein Euro). Als Köder läuft bei RTL online – nach einer einmaligen Registrierung – die Daily Soap „Alles, was zählt“ mit Tanja Szewczenko. Keine Folge verpassen – kostenfrei.

Doch egal, ob öffentlich-rechtlich oder privat: Die Sender stehen unter Zugzwang, denn ob man es Abruffernsehen oder VOD nennt, ist den Youtube-Nutzern schon jetzt völlig egal.

Im Netz unter:

www.daserste.de/interaktiv/videos

http://mediathek.zdf.de

http://rtl-now.rtl.de

www.maxdome.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false