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Doku: Geld löst alle Probleme

Ihren Ehrenkodex tragen sie eintätowiert am Knie: kein Verrat, keine Zusammenarbeit mit den Behörden, keine Familie, niemals gearbeitet. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Überraschende Einblicke in Russlands Mafia.

Der Kodex aus dem Gulag, wo der Ukrainer Leonid Bilonuv, der Russe Vitalij Djomotschka und der Usbeke Alimshan Tochtachunov, genannt „Taiwantschik“, ihre Lehrjahre als „Diebe nach dem Gesetz“ absolvierten, ging längst ins smarte Gebaren von Geschäftsleuten ein, die sich Wohnpaläste im In- und Ausland, eine Familie, Anwälte und eine hochkarätige Kunstsammlung leisten. In der Jelzin-Ära lagen die Betriebe gleichsam herrenlos auf der Straße. Man musste nur beherzt zugreifen und sich seinen Anteil sichern. Mafia und Polizei steckten ihre Machtsphären ab.

Ob die drei Paten einander kennen, lässt Alexander Gentelevs brisante Dokumentation offen. Sie standen dem aus Petersburg stammenden Regisseur, der seit 1993 in Israel lebt und durch seine dreiteilige Serie „Die Oligarchen – Aufstieg und Fall einer russischen Elite“ auch bei uns bekannt wurde, nur in Einzelgesprächen zur Verfügung. Diese fanden mal in Moskau statt, wo „Taiwantschik“ ein märchenhaftes Anwesen bewohnt, mal im Fernen Osten, wo Djomotschka mit Schutzzöllen für importierte Autos sein Grundkapital „erwarb“. Oder in Paris und Cannes, wo Bilonuv als Sponsor der orthodoxen Kirche auftritt, nachdem er in Israel durch Heirat problemlos zu einem israelischen Pass kam, der die Visumfragen fortan leichter lösen hilft als der russische. Wodurch ihnen heute die wundersame Geldvermehrung gelingt, verraten die drei natürlich nicht. Doch Menschen erschossen zu haben („zum Schutz des eigenen Lebens oder der Ehre“, genauer: zur Durchsetzung ihrer Interessen), das gibt man bereitwillig zu.

Wie viele Kriminalfilme bezieht die Dokumentation ihre Faszination aus der Aura von Verruchtheit und der unerhörten Energie, die diese „Führer eines neuen Typus“ umgibt. Hinzu kommt, dass die drei keine Furcht haben müssen, die Karten zu schwenken. Sie sind Personen des öffentlichen Lebens in Russland oder in Frankreich. Man fördert Kunst und Sport. Der etwas eigenbrötlerische Djomotschka hat seine Jugendgeschichte sogar zu einem selbst gedrehten Spielfilm verarbeitet, der die Mafiagenossen aber nicht interessiert. Souverän bestimmen die Paten die Gespräche. Dem Regisseur blieb die Aufgabe, das zersplitterte Material zu einem Mosaik zu ordnen.

Ein PR-Film für drei Charakterköpfe der Halbwelt ist die SWR-Produktion trotzdem nicht geworden. Im Gegenteil: Leichtsinnig oder mit Absicht geben die Männer Einblick in eine fortschreitende Vermischung wirtschaftlicher und staatlicher Strukturen mit kriminellen Interessen, die über Russlands Grenzen hinaus reichen. Und sie verbergen sich hinter jovialen Gesichtern

„Die Ehre der Paten – Russlands Mafia", Dienstag, 22 Uhr 45, ARD

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