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Von Til Schweiger produziert.  Bastian Schweinsteigers Karriere hat vieles von dem, was so ein Film braucht: rascher Aufstieg, Fall, heroisches Comeback, Weltmeister mit 30.

© dpa

Doku über Bastian Schweinsteiger: Provinz, Titel und Operette

Wege zum WM-Helden: Bastian Schweinsteiger in einer Amazon-Prime-Doku. Dahinter steckt Til Schweiger.

So mag er’s: „Ihr habt ja aufgefahren hier wie für’n Disney-Film“, zollt ihm Lukas Podolski Respekt, als Til Schweiger zu Beginn seines neuen Werkes all jene Promis durchs Studio defilieren lässt, die er kriegen konnte. Wenn Deutschlands popkulturelle Lichtgestalt ruft, kommen schließlich auch dann alle, wenn es nicht um Film geht, sondern um Fußball.

So geben sich also der Poldi und der Jogi das Mikro in die Hand, der Manu und der Miro, der Ballack, der Hoeneß, der Heynckes und immer wieder himself, Til Schweiger. Was ist hier los? Und, was soll dieser Filmtitel: „Schw31ns7eiger“?

Die Antwort: Auf dem Videoportal des weltgrößten Konsumkonzerns (Amazon) geht es zwei Stunden lang gar nicht um den weltbesten Filmfamilienunternehmer (Schweiger). Es geht ums weltschönste Fußballerherz (Schweinsteiger), dessen Rückennummern (daher die Schreibweise) einst 31 (Bayern) und 7 (Deutschland) waren.

Deshalb steht einer mal ähnlich im Fokus wie der Til aus Freiburg: der Bastian aus Oberaudorf, wo Robert Bohrers Doku nach dem Eingangsdefilée und einem Exkurs nach Chicago beginnt, wo die Laufbahn des Nationalspielers 2019 endete.

Aus der bayerischen Provinz übers europäische Establishment ins amerikanische Operettenhaus – angesichts so guter Grundlagen zur Persönlichkeitserkundung hätte die Produktion von Schweigers Firma Barefoot Films das angemessene Denkmal eines verdienstvollen Fußballers werden können. Konjunktiv.

Denn wo Schweiger draufsteht, ist eben leider auch Schweiger drin („Schw31ns7eiger: Memories – Von Anfang bis Legende“, Amazon Prime Video ab Freitag). Und so setzt sich der Hauptverantwortliche nicht nur als Fan, Philosoph, gar Prophet in Szene, der schon vorher wusste, dass der Basti den Elfer im „Finale dahoam“ verschießt; er sorgt auch dafür, dass man sich beim Zusehen ständig fremdschämen muss. Und das will schon was heißen.

Glamour-Ehe mit der Tennisspielerin

Schließlich bietet die Karriere von Bastian Schweinsteiger vieles von dem, was solch ein Film braucht: rascher Aufstieg, zwischenzeitlicher Fall und heroisches Comeback, Profidebüt mit 18, Verletzungspech mit 25, Weltmeister mit 30 – alles dank des ähnlich ehrgeizigen Soccer-Dads mit Sportgeschäft von Kindesbeinen an bestens bebildert.

Deshalb findet der Regisseur im Fundus von Super8 bis Champions League nicht nur Dutzende toller Spielausschnitte, sondern auch, dass der junge Basti den Ski-Star Felix Neureuther mal im Slalom besiegte.

Athletenporträts, das zeigen jene über Muhammad Ali, Ayrton Senna, Diego Maradona, Dirk Zabel oder zurzeit Michael Jordan auf Netflix, legen den Pulsschlag des Sports so akkurat über die Fieberkurve des Lebens, dass sie sich gegenseitig erklären. Wenn ein Profilneurotiker wie Til Schweiger allerdings die Lufthoheit übers Geschehen am Sportplatzboden hat, wird jede Metaebene von distanzloser Selbstgefälligkeit zerfressen, also peinlich. Davon zeugt nicht nur, dass der Produzent dauernd in die Kamera lacht. Schlimmer ist die Nähe des Bayernfans zum Objekt seiner Verehrung.

Weil Schweigers Mangel an Reflexionsfähigkeit ohnehin legendär ist, erschöpft sich alle Kritik also in Witzen über Bastis Haarprobleme, weshalb für die Kritik am Milliardenprodukt Fußball samt seiner Gehaltsobszönitäten und Katar-Trainingslager leider kein Platz bleibt.

Dafür steckt dann umso mehr von Bastians Glamour-Ehe mit der Tennisspielerin Ana Ivanovic in der Doku, unablässig angedickt mit einem Soundtrack, als hätte ihn Coldplay für Guido Knopp komponiert. Würde der hinreißend lakonische Lukas Podolski die Lobeshymne nicht ab und zu auflockern – die Disney-These vom Anfang wäre mehr als ein flapsiger Spruch.

Jan Freitag

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