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In den USA ist Stanislaw Petrow (rechts) ein Held. Hier wird er von den Schauspielern Robert de Niro (links) und Matt Damon gewürdigt.

© Arte

Doku über den Mann, der den dritten Weltkrieg verhinderte: Nennt ihn nicht Helden!

Arte zeigt am Dienstag eine Dokumentation über Stanislaw Petrow, der nicht auf den roten Knopf drückte, als die Welt 1983 kanpp vor einem Atomkrieg stand.

Stanislaw Petrow ist ein Held. Was er aber gar nicht sein will: ein Held. Der weißhaarige Russe, geboren 1939, lebt in einer ärmlichen Vorortsiedlung in Moskau, er ist, so scheint es, immer schlecht gelaunt. Er wird umso miesepetriger, wenn man ihn als den Helden anspricht, der vor 32 Jahren die Welt vor dem Atomkrieg rettete. Als er gegen Geld eine Einladung in die USA annimmt und erfährt, dass er vor den Vereinten Nationen reden soll, flippt der Russe auf der Rückbank eines New Yorker Taxis völlig aus: „Ich bin nicht so ein schleimiger Politiker, der vor sich hinreden kann. Ich bin ein normaler Mensch.“ Der Dokumentarfilm „Der Mann, der die Welt rettete“ von Regisseur Peter Anthony setzt Petrow ein Denkmal. Arte zeigt den Film am Dienstag als deutsche Erstausstrahlung.

Die Welt stand in der Nacht des 26. September 1983 am Rande eines Nuklearkriegs. Ein Computerfehler fiel in eine Phase verschärfter Konfrontation zwischen den Machtblöcken in Ost und West. US-Präsident Ronald Reagan hatte die Sowjetunion als „Reich des Bösen“ gebrandmarkt. „Wir waren im Krieg gegen Kapitalismus auf der ganzen Welt: in Afghanistan, Südamerika, im Nahen Osten. Im Geheimen waren wir bereits im Krieg“, erinnert sich Ex-Oberst Petrow. Peter Anthony baut beklemmend authentische Spielszenen ein, welche Panik in der nuklearen Kommandozentrale der Sowjetunion herrscht, über die Petrow in der Nacht das Kommando führt. Plötzlich macht das Infrarotwarnsystem eine US-Rakete am Himmel aus, dann eine zweite, fünf sind es am Ende. Die sowjetische Luftraumüberwachung kann nichts ausmachen: Über den USA liegt gerade die Dämmerung, in einem Teil ist es Nacht, in einem anderen scheint die Sonne. Nichts ist erkennbar.

Beide Seiten verfügten zusammen über 11 000 nukleare Sprengköpfe. Ergebnis: „Totale Auslöschung allen Lebens! Im Hauptquartier hätten sie nur ein paar Knöpfe drücken müssen“, sagt Petrow. „Es war mir vollkommen klar, dass mein Befehl für den Abschuss von niemandem mehr hätte korrigiert werden können. Niemand hätte es gewagt, meine Befehle infrage zu stellen.“ Sein einziger Vorgesetzter war betrunken.

Eines wollte Petrow auf keinen Fall sein – der Mann, der den Dritten Weltkrieg auslöst. Er behält die Nerven. Nach unendlichen Minuten die Erkenntnis: kein Einschlag. Der Computer hatte einen Aussetzer. Der Oberst bricht in Tränen aus. „Wir haben verzweifelt nach dem Grund für den Fehlalarm gesucht, aber nie gefunden. Vielleicht hat uns das Universum einen Streich gespielt.“

Vor der Uno bekannte der Ex-Militär 2006, das Schlimmste in jener Nacht seien die großen Zweifel gewesen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hätte. „ Ich bin kein Held. Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“ Bei seinem Aufenthalt in den USA trifft der Russe auf Amerikaner, die einst seine Feinde waren. Darunter Walter Cronkite, Robert De Niro, Matt Damon, David Hoffman und Kevin Costner. Petrow erhält im Uno-Gebäude einen Preis, der die Inschrift trägt: „The Man Who Saved the World“. Petrow erfährt die Achtung der Welt für seine Tat. Er ist nicht vergessen.

Petrow verließ kurz nach dem Beinahe-Krieg die Armee. „Meine Frau war tief betroffen, dass ich ihr den Vorfall vom atomaren Fehlalarm zehn Jahre lang nicht erzählt habe, weil ich es nicht durfte.“ Seine Ehefrau, Liebe seines Lebens, starb; er vereinsamte. Pessimist, der er weiter ist, gibt sich Stanislaw Petrow fest überzeugt, dass der Einsatz von Atombomben nur eine Frage der Zeit ist. „Wir haben nichts aus der Vergangenheit gelernt.“ Christof Bock, Joachim Huber

„Der Mann, der die Welt rettete“, Arte, Dienstag, 22 Uhr 50

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