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"Passion for Planet - Leben als Tierfilmer": Michael und Rita Schlamberger im überfluteten Sambia.

© SWR/Werner Schuessler

Doku über Tierfilmer: Gier nach Bildern

Die Dokumentation „Passion for Planet“ begleitet Tier- und Naturfilmer auf der ganzen Welt. Und macht melancholisch.

Die Kamerabilder sind ebenso faszinierend wie traurig, und sie rühren an: ein Strand in Odisha, an Indiens Ostküste. Es ist Nacht. Tausende großer Meeresschildkröten, die sogenannte Olive-Bastardschildkröte, kommen an Land, um hier ihre Eier abzulegen. Sie buddeln die Sandlöcher hierfür aus, legen die Eier, buddeln die Löcher wieder zu, und verharren eine ganze Weile, sichtlich erschöpft, hörbar schnaubend, spürbar müde. Dann geht es zurück ins Meer. Die Dokumentarfilmerin Rita Banerji ist mit ihrer Kamera dabei und filmt. Rechtzeitig noch erhielt sie den Anruf, dass es soweit sei, und reist an. Sie will wiederkommen, wenn die Meeresschildkrötenbabys in 45 Tagen schlüpfen.

Wieder erhält sie einen Anruf, Banerji ist gerade irgendwo auf Reisen. Sofort plant sie um, und reist erneut zu dem ostindischen Strand. Die kleinen Schildkröten sind dabei, zu schlüpfen. Tausende und Abertausende kleiner durch den Sand robbender Schildkrötenbabys. Einzig: sie bewegen sich in die falsche Richtung, nicht zum Meer, sondern zum Landesinneren hin, dort, wo eine große Fabrik steht und auch des Nachts fatalerweise hell angestrahlt ist. Das Licht, so Banerji, ziehe sie an. Dabei verfangen sie sich mit ihren kleinen Köpfchen im Maschendrahtzahn und sterben dort. Und so leuchten Banerji und ihr Team mit Taschenlampen, die sie am Meeresstrand postieren, um wenigstens einige der Schlüpflinge zu retten. Mühsam ziehen sie zudem am Zaun einzelne dort verfangene Junge heraus. Von tausend Meeresschildkrötenbabys, so die indische Tierfilmerin, überlebt am Ende eines.

In dem äußerst sehenswerten und durchaus bewegenden Dokumentarfilm „Passion for Planet“, der teils grandiose Naturaufnahmen enthält, begleitet Filmautor Werner Schuessler fünf Tier- und Naturfilmer auf deren Reisen. Es geht einmal um die Welt: Indien – Afrika – Kalifornien – Meeresküsten – und Deutschland. Ein Dokumentarfilmer also auf den Spuren von Kollegen, die die Faszination, aber auch die Beschwerlichkeit des Natur- und Tierfilmens beschreiben. Die von ihren Abenteuern berichten, davon, warum sie diesen herausfordernden, oftmals auch gefährlichen Beruf, der doch vielmehr eine Berufung ist, ausüben.

Der Mensch ist gefährlicher als jeder Hai

„Was mich wirklich antreibt, ist die Gier, Bilder zu machen“, sagt der Österreicher Michael Schlamberger, der zusammen mit Ehefrau Rita in Sambia die nächste Natur-Dokumentation dreht, über den Sambesi-Fluss. Während sie unterhalb der gigantesken rauschenden Viktoria-Fälle drehen, sprechen sie in deutlich erkennbarem Österreichisch miteinander. Das hat seinen Charme. Im Fluss drehen sie Unterwasseraufnahmen, ein anderes Mal aus dem Hubschrauber Antilopen. Schlamberger ist seine Passion, seine Begeisterung anzumerken. Einmal, da sagt er mit verzagtem Ton: „Ich glaube, dass nur, was man kennt, das kann man lieben. Und nur was man liebt, das schützt und bewahrt man.“ Er meint damit die stark bedrohte Natur, die er filmt.

Der junge Kanadier Rob Stewart hingegen hält sich überwiegend unter Wasser auf. Sein Lieblingstier ist der Hai. Der Hai, den es seit mehr als 400 Millionen Jahren gibt, ist dabei, auszusterben. Neunzig Prozent der weltweiten Population, so Rob Stewart, sind mittlerweile ausgerottet. Dabei sei es gerade der Hai, dieses einzigartige Geschöpf, so der schwärmende Unterwasserfilmer, der eine wichtige Funktion habe und für das Gleichgewicht der Meere sorge. „Ich bin etwa 200 Tage im Jahr mit Haien unter Wasser und hatte noch nie Probleme mit ihnen. Menschen sind weitaus gefährlicher.“ Mark Shelley dreht an der Küste Kaliforniens poussierliche Fischotter. „Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass der Mensch in jedem Natur-System der Erde steckt“, so Shelley. So wie die Fisch- und Meeresotter vom Aussterben bedroht sind, teils in den toxischen Gewässern schwimmen, die Kaliforniens Fabriken ins Meer einlassen, so geht es unzähligen Tierarten dieser Erde. Mark Shelley wird am Ende dieser Dreharbeiten mit den Tier- und Naturfilmen aufhören.

In Mecklenburg-Vorpommern, hoch oben in einem Baumwipfel, sitzt Jan Haft in einem Baumzelt, und wartet Stunden über Stunden mit seiner Kamera. Einige Baumwipfel weiter ist ein Adlernest. Er habe ein „Gen für Tierbegeisterung“ in sich. In den Filmen, so Haft, könne man ein wenig das ausleben, was einen schon als Kind interessiert hat: Sich irgendwo verstecken, etwas beobachten, kleine Welten entdecken. Seine Bilder zeigen durch das Teleobjektiv das Adler-Küken und die Mutter im Nest aus nächster Nähe. „Jeder, der die Augen aufmacht von uns, der weiß, mit welcher atemraubenden Geschwindigkeit das Artensterben draußen davongaloppiert.“ „Passion for Planet“ durchziehen Schönheit und Melancholie gleichermaßen. Die Melancholie darüber, dass ebendiese Schönheit droht, endgültig zu verschwinden. Der Mensch, er ist eben weitaus gefährlicher als jeder Hai.

„Passion for Planet – Leben als Tierfilmer“, Mittwoch, ARD, 22 Uhr 45

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