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Hör den Bäumen zu - oder der Band. Die Generation der Babyboomer feierte Festivals im Wald.

© ARD

Dokumentarfilm über die Babyboomer: Generation Waldsterben

Jugend in den Sechzigern: Pril-Blumen, Bonanza-Räder, lange Haare. Reinhard Kungel hat einen Dokumentarfilm über die Babyboomer gedreht - und sie zur "Generation Waldsterben" erklärt.

Eine Kindheit in den Sechzigern: Auf den Möbeln kleben Pril-Blumen, der Vater dreht Super-8-Filme, die Cordhose ist braun, des Turnlehrers Gesinnung auch, und der Wald ist der schönste Spielplatz. Reinhard Kungel hat einen Dokumentarfilm über sich und seinesgleichen gedreht. Mit der etwas verwegenen These, die Babyboomer seien die „Generation Waldsterben“.

Genauso gut könnte man von einer „Generation Atomenergie“ oder einer „Generation Wettrüsten“ sprechen, weil die Konflikte um diese Themen mindestens ebenso das Ende der Jugend markierten. Kungel, der in Wernau in Baden-Württemberg aufgewachsen ist, schließt von sich auf andere, aber das konsequent. Der Wald ist durchgängiges Motiv in seinem Generationen-Porträt, mit schönen Naturaufnahmen und lustigen Querverweisen: vom „Lederstrumpf“ bis zur ersten Trikotwerbung in der Fußball-Bundesliga, dem Jägermeister-Hirsch bei Eintracht Braunschweig.

Bäume regieren den Film

Stimmig ist sein Film vor allem als persönliche Vater-Sohn-Geschichte. Mit gebührendem Abstand und liebevoll zugleich skizziert Kungel die Beziehung zum Vater, einem Möbelschreiner, der seinen Sohn gern zu Spaziergängen in den Wald mitnahm und dessen Filmaufnahmen, ergänzt durch Archivmaterial, eine ergiebige Quelle sind. Das Vater-Wald-Motiv wird aber bis zum Überdruss bemüht: mit der von Kungel häufig zitierten Frage des Vaters „Was lehrt uns der Baum?“. Und mit der Musikauswahl am Ende, wenn Kungel zum Tod seines Vaters den unvermeidlichen Alexandra-Hit „Mein Freund, der Baum“ spielt.

Auch sonst ist der Film trotz Splitscreen-Bildgestaltung und des hübschen Soundtracks (Jethro Tull, Suzie Quattro und Rodgau Monotones) kein pures Vergnügen. Die Kommentare des Autors sind oft betont naiv, was jede Ironie verschluckt. Die schnellen Themenwechsel sind bisweilen haarsträubend. Da geht es vom Unfalltod der Sängerin Alexandra nahtlos weiter zum Thema Autoverkehr und dann zur Emanzipation. Illustriert mit einem alten Film, in dem Frauen beim Einparken Beulen verursachen. Dazu rät Sprecher-Legende Egon Hoegen: „Männer, lasst eure Frauen öfter ans Steuer, aber nicht zu Verkehrsspitzenzeiten.“

"Wir haben zu wenig Spuren hinterlassen"

Wer zwischen 1960 und 1970 aufgewachsen ist, wird dennoch manches wiedererkennen und Spaß dabei haben: Pelikan-Tinte, Bonanza-Räder und das erste Mofa. Als die Haare länger wurden, zupfte jeder Zweite auf Gitarren herum, man demonstrierte, verweigerte den Kriegsdienst und reiste per Interrail. „Wir waren die Guten“, resümiert Kungel – nun doch mit Selbstironie. Aber er verteidigt seine Generation arg wehleidig. Die Babyboomer seien „im Vakuum zwischen 68 und 89 vergessen“ worden. „Und die wenigen Spuren, die wir hinterließen, wurden von der Generation Golf plattgemacht.“ Vielleicht lag’s an den wenigen Spuren?

Immerhin ist da doch die Umweltpolitik. Vom Waldsterben ist heute nicht mehr die Rede. „War alles nur Einbildung?“, fragt Kungel rhetorisch, denn Bilder von verkrüppelten Bäumen zeigt er natürlich auch. „Die Folgen des sauren Regens konnte man noch sehen“, sagt Kungel. Die Folgen von Tschernobyl nicht mehr.

„Generation Waldsterben“, WDR, Donnerstag, 23 Uhr 15

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