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Dokumentation: Pflicht zum Hass

Ein bestürzender Film aus dem Gazastreifen: "Soldatinnen Gottes – die Frauen der Hamas" zeigt Mütter, deren Söhne als Märtyrer starben.

Umm Shadi, wie sie von ihren Nachbarinnen genannt wird, trauert noch immer um ihren ältesten Sohn, der als „Märtyrer“ starb. Wie üblich hat sie auf dem Abschiedsvideo neben ihm posiert und die glückliche Mutter gemimt. Aber im Gegensatz zu den anderen geht Umm oft auf den ausgedörrten Friedhof und gehört zu einer Selbsthilfegruppe, die mit progressiver Entspannung die dunklen Gedanken vertreiben will.

Darf man trauern im Gazastreifen, den die Regisseurin dieses bestürzenden Dokumentarfilms „ein überfülltes großes Gefängnis“ nennt? Die Szenen geben darauf eine klare Antwort: „Nein.“ Schon kommt eine Fremde zu Besuch, um der Trauernden ins Gewissen zu reden. Sie hätte gern einen Sohn, der sie im Paradies erwartet. Kampfesmut und Todesbereitschaft zu schüren, ist das Tagesgeschäft der Hamas-Propaganda. Freude herrscht über jeden getöteten Israeli, Hass hält die Gemeinschaft in der qualvollen Enge zusammen. Mit 4000 Einwohnern pro Quadratkilometer zählt der Gazastreifen zu den am dichtesten besiedelten Weltgegenden.

Vier „Märtyrermütter“ hat die in Israel lebende palästinensische Regisseurin und Drehbuchschreiberin Suha Arraf („Die syrische Braut“, „Lemon Tree“) porträtiert. Drei davon geben sich als uneingeschränkte Vertreterinnen eines militanten Islam: Frauen sind dazu da, Söhne für den Kampf zu gebären. Vielleicht reden die drei nicht immer so, aber vor der Kamera kennt jede ihre Pflicht. Die weiblichen Wähler haben der Hamas 2006 zu ihrem überwältigenden Wahlsieg verholfen. Danach war es mit der Partystimmung am Strand von Gaza zu Ende, und Menschen wie Lama al Hourany, die Fünfte im Bunde, verließen das Land. Der Film zeigt die Kommunistin und Feministin in Ramallah beim Internettelefonat mit einer in Gaza zurückgebliebenen Freundin. Man wüsste gern mehr, was sie jetzt tut.

Man wird diesen fast atemlos machenden, unter großen Schwierigkeiten fertiggestellten Film (nach der verheerenden israelischen Militäraktion 2008/09 durfte die Regisseurin nicht mehr selbst nach Gaza) vor allem wegen seines Gesamteindrucks im Gedächtnis behalten. Besatzergewalt hat die Gewalt aus dem Gazastreifen geschürt, das – dieser Tage endlich gelockerte – Embargo die Spirale weitergedreht. Wie der Alltag in dem übervölkerten Gebiet wirklich aussieht, welcher permanente Druck auf dem Einzelnen lastet, kann der Zuschauer nur ahnen. Dass es ein schönes Land ist oder wieder sein kann und die Kinder dort, ungeachtet der früh eingepaukten martialischen Sprüche, wie Kinder in aller Welt lachen oder sogar noch ausgelassener sind (weil sie wissen, dass man sie braucht), sieht er auch. Hans-Jörg Rother

„Soldatinnen Gottes – Die Frauen der Hamas“, ARD, 22 Uhr 45

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