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© ZDF

Doris Dörrie: "Wechseljahre? Da kann man lachen oder sich aufhängen"

Die Regisseurin Doris Dörrie über Hormonyoga, anspruchsvolle Fernsehserien, guten Humor, Überraschungen mit Andrea Sawatzki und Frauen um die 50.

Frau Dörrie, was hat Sie nach mehreren Kinofilmen dazu inspiriert, eine Miniserie fürs Fernsehen zu schreiben?

Wenn man viel Primetime-Fernsehen guckt, was ich phasenweise mache, weil da Schauspieler auftauchen, die ich sonst nie zu Gesicht bekomme, dann reagiert man mit Verdauungsbeschwerden. Ich fand sehr viel davon ziemlich hanebüchen.

Was zum Beispiel?

Was mich so irrsinnig geärgert hat, war diese Schmalspurigkeit vor allem der weiblichen Hauptfiguren um die fünfzig. Erstens müssen sie so tun, als ob sie gar nicht fünfzig wären, sie sind alle jünger, schöner, knackiger, das könnte man endlos fortsetzen. Und zum Zweiten sind sie alle so wahnsinnig nett und bemüht und tolerant und großzügig und tapfer. Dem etwas entgegenzusetzen, was ein bisschen mehr mit der Realität zu tun hat, etwas mehr Wahrhaftigkeit versucht und gleichzeitig auch komischer ist, das war mein Ziel.

Maren Kroymann spielt in „Klimawechsel“ die durchtriebene Frauenärztin Dr. Evelyn Bach. Sehen Sie die Zeit für einen neuen weiblichen Humor gekommen, der es wagt, maliziös à la Kroymann zu sein? Wirkt die vielbeschworene Frauensolidarität dabei hinderlich?

Gibt es denn so etwas wie solidarischen Humor? Humor ist doch immer etwas, das Distanz schafft und versucht ein Fenster aufzumachen, um die Dinge zu belüften. Und beim Thema Wechseljahre kann man ja nur lachen, sonst müsste man sich aufhängen. Ich weiß, es ist gefährlich, öffentlich schwarze Witze zu machen. Aber ein bisschen mehr Lust daran, die Dinge komischer zu sehen, finde ich überlebenswichtig. Die Serie ist letztlich auch als Lebenshilfe gedacht, für uns selbst und alle anderen. Wenn man nicht über die Schrecklichkeiten, die das Leben bedeutet, lacht, dann wird es sehr schnell nur noch dunkel und düster.

Warum sind die Wechseljahre in unserer Gesellschaft ein Tabuthema? Liegt das am allgemeinen Jugendwahn?

Tabus haben in der Regel eine lange Geschichte. Und natürlich trägt dieses Tabu die ganze Tradition mit sich herum, wie Frauen in der Öffentlichkeit gesehen werden. Es hat primär damit zu tun, dass die Wechseljahre das Alter einer Frau sehr genau benennen. Und da wir darauf trainiert sind, unser Alter geheim zu halten, weil es sonst gegen uns ausgelegt wird, ist das schon mal schwierig.

Inzwischen gilt Alter als Versagen …

… ja, wer alt ist, hat irgendetwas falsch gemacht. Und wenn er nicht alt wird, sondern vorher stirbt, dann hat er noch mehr falsch gemacht, da ja auch Krankheiten immer mehr als Schuld ausgelegt werden. Das ist alles kompletter Schwachsinn und bringt uns in eine furchtbare Situation, weil wir alle lügen müssen. Und das Lügen macht nicht unbedingt froher, weil es einen fesselt und kleiner macht.

Zur Komik von „Klimawechsel“ trägt erheblich bei, wie Sie Dialekte eingesetzt haben. Der umschwärmte Hormonyogalehrer sächselt, und Andrea Sawatzki ist als bayerisch grantelnde Kunsterzieherin eine Riesenüberraschung.

(lacht): Sie kommt aus Kochel am See und kann das eben. Das finde ich wichtig: Wo kommt man her und was hat man von zu Hause, das man einbringen und womit man spielen kann? Sie sind alle wunderbar, ich schwärme sehr für meine Schauspielerinnen und Schauspieler. Es war zum Beispiel ein unglaublicher Genuss, Juliane Köhler in einer Rolle zu besetzen, die sie sonst nicht so oft bekommt, nämlich komisch zu sein. Aber auch Ulrike Kriener – ihre ernste Kommissarin Lucas hat mit der Rolle, die sie jetzt bei uns spielt, wenig zu tun.

Der Tabubruch mit „Klimawechsel“ hat Ihnen und dem Team sichtlich großen Spaß gemacht. War es ebenso leicht, das ZDF von dieser Miniserie zu überzeugen?

Ja, das war sehr einfach, denn die Redaktionen sind es natürlich auch nicht gewöhnt, dass ihnen komplett fertige Bücher mit einer feststehenden Besetzung angeboten werden. Es wäre ja schon allein wegen der Schauspieler dumm gewesen, das nicht haben zu wollen.

Sie haben erneut mit dem Kameramann Hanno Lentz gedreht.

Hanno Lentz versteht nicht nur mich, sondern auch, dass es in den Geschichten, die ich schreibe, besonders wichtig ist, den Schauspielern auf den Fersen zu bleiben und ihnen eine große Freiheit zu erlauben. Deshalb haben wir zusammen ein sehr flexibles System erfunden, Hanno Lentz, meine Koautorin und Producerin Ruth Stadler und ich, um das zu gewährleisten.

Wie sieht dieses System aus?

Wir verwenden eine digitale Technik, die es uns ermöglicht, stark auf die Schauspieler einzugehen. Dadurch wird es spontaner, spielerischer. Man kann Dinge verwerfen, ohne in Zeitstress zu geraten. Allerdings verlangt die Methode eine hohe Entscheidungsgeschwindigkeit, um sich nicht zu verfransen.

Warum haben Sie nur die beiden ersten Folgen der Serie selbst inszeniert?

Wegen eines bestehenden Vertrags über die Inszenierung der Händel-Oper „Admeto“ in Göttingen und Edinburgh, der mich zeitlich gebunden hat. Aber es war dann auch sehr interessant und gut, mit zwei anderen Regisseurinnen zu sprechen. Gloria Behrens und Vanessa Jopp hatten ihre eigene Sichtweise auf das Thema, so dass „Klimawechsel“ zu einer rundum guten Erfahrung wurde.

Gute Erfahrungen dann auch für die Quote? Das ZDF hat sicherlich gewisse Erwartungen mit der Serie.

Schauen wir mal, was der Primetime-Zuschauer dazu sagt, der sonst eher Inga-Lindström-Verfilmungen gewöhnt ist. Ich hoffe, dass er sich zumindest sehr gut unterhält, vielleicht sogar ein bisschen aufregt.

Das Gespräch führte Katrin Hillgruber. Doris Dörrie, 54, Regisseurin, Autorin, Produzentin. Kinoerfolge: „Männer“ (1985), „Kirschblüten“ (2008). Zurzeit: „Die Friseuse“. Jetzt wagt sie die TV-Serie „Klimawechsel“.

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