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Für den Titel des „Dschungelkönigs“ schluckt Thomas Häßler wirklich alles.

© RTL

"Dschungelcamp 2017": Eintracht IBESHMHR

Geht so Reality-TV? Im „Dschungelcamp“ wird statt Krawall die Bussi-Bussi-Gesellschaft zelebriert.

Publikumsbeschimpfung galt und gilt bei Castingshows als No-Go. So gesehen ging Kader Loth ein gewisses Wagnis ein. „Ihr seid alle Arschlöcher“, beleidigte das Requisit diverser Formate bei RTL all jene Zuschaueranrufer, die sie gerade zum dritten Mal nacheinander zur Dschungelprüfung geschickt hatten. Das hätte beim Jahrmarkt der Gehässigkeiten namens „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ nach hinten losgehen können für die Kandidatin. Tat es aber nicht. Im Gegenteil.

Weil sich das chirurgisch modellierte Requisit von „Big Brother“ bis „Frauentausch“ nach seiner Tirade mit Erfolg durch ein Tunnelsystem voll Tropengetier kämpfte, brach Kader Loth einen Fluch. Anders als Sarah Knappik oder Larissa Marolt in den Jahren zuvor wurde Kader Loth von den Arschlöchern, pardon: Zuschauern nicht als Unperson gevotet, sondern durfte im Camp bleiben. Das war zwar besser als eine madenverseuchte „Zwickmühle“, in der zwei weitere Prachtexemplare kommerzieller Relevanz-Suggestion gelandet sind. Aber ein schöner Ort ist natürlich auch die elfte Homebase von IBESHMHR nicht. Nicht für die Bewohner.

Bis zu acht Millionen Zuschauer schalten ein

Ihre Betrachter hingegen lieben es auch 13 Jahre nach der Premiere. Fast acht Millionen sind es seit zehn Tagen schon mal, wenn Sonja Zietlow und Daniel Hartwich die Klaviatur der Boshaftigkeit spielen. Ob die zwölf Objekte ihres gescripteten Spotts dafür vom Notenblatt ablesen oder improvisieren, ob Deutschlands erfolgreichster TV-Trash also wirklich so wirklich ist wie vom Sender versichert oder präziser Regieanweisung folgt wie oft unterstellt – egal. Schon der inszenierte Anschein wahrhaftiger Selbstentblößung findet auch 2017 ein so großes Publikum, dass die Teilnehmerliste 2018 gewiss längst gefüllt ist.

Sie dürfte ähnlich gecastet werden wie die laufende. Den Part des psychisch auffälligen Freaks füllt dabei die Unterschichtenfernsehkomparsin Hanka Rackwitz mit gespenstischer Professionalität. Als visuell aufwendige Antagonistin brilliert das zweite Silikonfabrikat Gina-Lisa Lohfink. Der Witzbold Markus Majowski gibt den selbstgerechten Alterspräsidenten, das Model Honey den selbstverliebten Toyboy, der exaltiert schwule Florian Wess ringt mit der exaltiert heterosexuellen Kader Loth ums australische Botox-Championat. Und mittendrin sitzen Jens Büchner, Fräulein Menke, Icke Hässler mehr oder weniger erfolgreich ihre Zeit bis zum Rauswurf ab, der Fräulein Menke als Erste ereilt hat.

Verschworenheit als Dschungel-Tugend

Der tränennasse Abgang der Tretbootpilotin verwies dabei allerdings auf den größten Unterschied zu früheren Camps: echte Eintracht. Gut, in Momenten der Trennung haben sich seit 2004 fast alle Streithähne zum Bussi-Bussi durchgerungen; in „La Familia Grande“ jedoch, wie sich die aktuelle Belegschaft vor jeder Dezimierung per Ringelpiez feiert, wirkt der Friede irgendwie – nein, nicht aufrichtig. Aber weniger berechnet. Vielleicht flog die gescheiterte „DSDS“-Existenz Sarah Joelle Jahnel ja wegen ihrer Hauptrolle als sexy Schlange aus dem – noch so eine Selbstdarstellung – „Team“. Und als Honey der hibbeligen Hanka unterstellte, sie würde des Nachts ihre Nachbarn observieren, war das angesichts der 50 Kameras weniger konfrontativ als dusselig.

Und so geht es nach jeder Abwahl in einer dezimierten Leidensgemeinschaft weiter, die fast verbissen um Verschworenheit bemüht ist. Mit dem bekennenden Trump-Wähler Marc Terenzi als Königsanwärter, der zu allen, echt allen so nett ist, dass RTL wohl noch ein paar Mikros mehr aufstellen muss, um den gewünschten Krawall zu inszenieren. Den gab es bislang schließlich nur, als das dreckige Dutzend gleich zu Beginn für saubere Kleidung demonstrierte. Reality-TV geht eigentlich anders. Jan Freitag

„Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, RTL, Montag, 22 Uhr 15

Jan Freitag

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