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Medien: „Du siehst klasse aus“

Wo Exmänner Exfrauen immer Komplimente machen: Am Montag läuft die Soap „Verbotene Liebe“ zum 2000. Mal

„Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob unsere Beziehung noch einen Sinn hat.“ Es ist egal, wer in der tausendneunhundertsiebenundneunzigsten Folge von „Verbotene Liebe“ diese Worte zu wem spricht. Im Prinzip könnte jeder sie zu jedem sagen. Die ganze Serie ist eine einzige Beziehungskrise. Das muss auch so sein, damit diejenige Beziehung, auf die es eigentlich ankommt, intakt bleibt: die der Soap zu ihrem (weiblichen) Publikum.

Krisen sind schrecklich, sind spannend, sind sexy. Was soll man denn davon halten: Isabell, blond, frisch, reizend, ist mit Florian leidlich glücklich – bis ihres Liebsten bester Freund dazwischendonnert und ihr Gewalt antut. Sie wird schwanger von diesem Unhold, und Abtreibung ist gar nicht ihr Ding. Was tun? Erst mal stille sein, den Freund nicht beunruhigen und mit der Schwiegermutter von Frau zu Frau zu Rate gehen. Eine hoch konfliktuöse Beziehungskrise, von der ein Teil des Paares (Florian) ja gar nichts ahnt, weswegen alles nur noch schicksalhafter ist.

Und Beatrice: Sie ist schon ein wenig reifer, aber sonst auch blond und zauberhaft und obendrein noch richtig reich. Sie führt mit ihrem Exmann eine Firma, was aber nicht so gut klappt, denn man will nach der Scheidung ja getrennte Wege gehen. Zumal Beatrice erneut und aus Liebe geheiratet hat. Der Erwählte heißt Bernd, ist der Bruder ihres Ex und diesem so unähnlich wie möglich. Während der abgelegte Martin als korrekter Schlipsträger durch die Szenen wandelt, tobt sich Bernd wild und dreitagebärtig aus, legt das Hausmädchen flach und schmiedet finstere Pläne. Er hat Beatrice nur des Geldes wegen genommen und sieht sich jetzt, wo seine Gattin im Begriff ist, „ihre Anteile" an den Ex zu veräußern, genötigt, sie abzumurksen. Wieder eine Beziehungskrise der härteren Art, von der diesmal nur der männliche Part Kenntnis hat, während die Frau auf Wolke sieben schwebt und ihren gleisnerischen Gemahl dankbar anstrahlt, wenn der zu ihr sagt: „Was hab’ ich nur für eine schöne Frau.“

Zwischen Andi und Jana wird es auch bald kriseln, wenn die Süße entdeckt, dass ihr Ballkleid mit Kirschsaft ruiniert wurde! Da haben sich doch ihr Schatz und ihre Schwester mal wieder gezankt. Die niedliche Nico ist so richtig fies zu Andi, und der weiß auch, warum. „Du gönnst deiner Schwester keinen Freund, weil du keinen hast!“ Gemein, einem halben Kind so was an den Kopf zu werfen, aber Andi hat ja irgendwo Recht, und wer weiß, vielleicht ist Nico heimlich in ihn verschossen. Hier hätten wir eine Beziehungskrise zwischen Beau und Schwägerin, was ja nicht so richtig zählt, aber da bahnt sich was an, denn schließlich: Was sich fetzt, das liebt sich.

Man könnte jetzt noch von Hanna erzählen, die auch einen Exmann hat, David, der allerdings nicht von ihr lassen will. „Du denkst bestimmt“, sagt David, „dass ich nur hier bleibe, weil ich mir immer noch Chancen bei dir ausrechne." Hanna schaut bedrückt, denn sie hat einen neuen Mann, Lars, dem sie ja keinen Ärger machen will, der sich aber längst seinen Teil denkt. „Sie wollen in Düsseldorf bleiben", sagt Lars zum Ex, „und das hat nicht zufällig was mit Hanna zu tun?“ Und wie einst Rick Blaine vor Ilsa Lund in „Casablanca“, sagt dieser Held mit großem Blick, dass er entschlossen sei, sofort zu gehen, wenn Hanna und Lars dies wünschen.

Na, da sind wir gerade eben noch an einer verschärften Beziehungskrise vorbeigeschrammt, aber die zeichnet sich doch irgendwie ab, denn Hanna, mal ehrlich, empfindest du wirklich gar nichts mehr für David? Übrigens hat Hanna eine Schwester, Silvia, auch sie mit einem Ex versehen. Es ist jener Martin, der nun auch Beatrice als Exfrau hat, und das passierte, weil er mit der geschiedenen Silvia wieder was anfing, nachdem diese aus dem Knast… Aber das führt jetzt zu weit. Martin weiß im Grunde, was sich gehört, denn als er seine Erst-Ex wiedersieht, sagt er galant: „Du siehst klasse aus."

Halten wir fest: Die Daily Soap „Verbotene Liebe" trägt ihren Titel zu Recht. In dieser Welt regiert der Konflikt, zeugt der falsche Mann ein Kind, plant der richtige einen Mord, liebt Andi die Jana anstatt der Nico und Hanna (womöglich) den eigenen Ex.

Nichts stimmt, nichts passt zusammen. Dass Daily Soaps eine heile Welt vorgaukeln, ist ein Vorurteil von Leuten, die nie welche gucken.

Und noch was fällt auf: Wir bewegen uns in einer endogamischen, quasi-inzestuösen Stammeskultur (was den Titel noch einmal ins Recht setzt). Beatrice heiratet den Bruder ihres Geschiedenen, Andi liebt die Schwester der in ihn Verknallten, Bernd verführte einst seine Schwägerin, und allenthalben umschmeicheln Exmänner ihre Exfrauen, äugeln Brüder mit Kusinen und Schwestern mit Schwägern. Und wenn Männer einander mal was zu sagen haben, dann geht es um die Frau, die beide begehren. Obwohl es am Rande vorkommt, dass „Anteile verkauft" oder „noch ein paar Unterlagen durchgesehen" werden müssen, sprich: gearbeitet wird, kreist doch diese Großsippe im Wesentlichen um die Beziehungskrise und die Frage nach deren Sinn.

Die Antwort wird von Folge zu Folge aufgeschoben, die Welt der Soap dabei durch immer neue Kombinationen von Töchtern, Onkeln, Stiefmüttern und Exen erweitert. Und was ist das für eine Welt? Richtig, eine Frauenwelt. Das eigentlich Üble an dieser Art Soap ist, dass sie die Familienzuständigkeit der allermeisten Frauen zum Anlass nimmt für Serien-Szenarios, die NICHTS anderes kennen als Beziehungsschrott.

92 Prozent des Publikums solcher Soaps sind weiblich, Jungen verlaufen sich nur mit acht Prozent in diesen Dschungel der irrenden Herzen. – Nein, nein, es ist nicht so, dass Frauen verdummt werden, wenn sie „Verbotene Liebe" schauen (ARD, wochentags um 17 Uhr 55). Sie wissen ja, dass die wirkliche Welt anders ist und dass in ihr Exmänner keine Komplimente machen. Aber dass sie so gern in ein Milieu flüchten, in dem alle so tun, als gäbe es außer der Frage nach dem „Wer mit wem?" nichts von Belang, das ist auch kein gutes Zeichen. Die Beziehungskiste der Soap enthält eben leider keine Seife, mit der die Zuschauerin sich ihre Brille putzen oder das Gesicht waschen könnte, sondern die unfromme Lüge, dass die Männer nur ein einziges Interesse kennen: Frauen.

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