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Ohne Skrupel: Lässt der Entführer Uwe Braun (Edgar Selge) den neunjährigen Bankierssohn tatsächlich verdursten?

© rbb/Hardy Spitz

Edgar Selge als Kindesentführer: Berliner "Tatort" erinnert an den Fall Metzler

Dominic Raacke und Boris Aljinovic müssen als Kommissare dieses Mal einen besonders aufreibenden Fall aufklären. Ein Bankierssohn verschwindet, sein Entführer stellt überraschende Forderungen. Für die Verhör-Szenen hat sich das TV-Team sogar vom LKA schulen lassen.

In diesem „Tatort“ aus Berlin traut man sich kaum, laut zu atmen. Ein neunjähriger Junge, der Bankierssohn Benjamin Steiner (Mika Seidel), wird entführt. Der Entführer legt es bei der Übergabe des Lösegeldes auf dem Alexanderplatz darauf an, von den Kommissaren Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) gefasst zu werden. Beim anschließenden Verhör konfrontiert er die Ermittler mit der richtigen Forderung. Auge in Auge mit den Eltern des Jungen wolle er zehn Millionen Euro und freies Geleit fordern, „oder der Junge wird in seinem Versteck qualvoll verdursten“. Was nun folgt, ist ein Nervenkrieg sondergleichen. Edgar Selge spielt den Entführer Uwe Braun, einen Mann, dem in seinem Leben alles genommen wurde und dessen Entschlossenheit keine Grenzen zu kennen scheint. „Machtlos“ lautet folgerichtig der Titel dieses „Tatorts“.

Das Thema des Films muss zwangsläufig an die Entführung des Bankierssohns Jakob von Metzler im Jahr 2002 erinnern. Der elfjährige Junge wurde von seinem Entführer ermordet. Doch das wusste die Polizei noch nicht, als sie dem Mann während der Verhöre mit Folter drohte, um so das Versteck des Jungen zu erfahren. Mehrere Polizisten, darunter der stellvertretende Frankfurter Polizeichef, mussten sich vor Gericht verantworten und wurden zu Geldstrafen auf Bewährung verurteilt. Noch immer wird kontrovers über die Folterdrohung diskutiert, zumal im Oktober 2012 ein weiteres Gericht über die Schmerzensgeldforderung des Entführers zu entscheiden hatte.

Klaus Krämer hat für die „Tatort“-Folge das Buch geschrieben und die Regie geführt. Um das sensible Thema möglichst realistisch in Szene zu setzen, hatte Produzent Mirko Schulze zuvor Kontakt zur Berliner Polizei aufgenommen. In mehreren Treffen erhielt das „Tatort“-Team Nachhilfe von den LKA-Beamten. „Eine so enge Zusammenarbeit gab es vorher noch nicht“, berichtet Jutta Porzucek, die Leiterin des Berliner Morddezernats. „Wir waren baff, wie ernst man uns genommen hat“, sagte Regisseur Krämer. Als er den Beamten die Szenen des Films schilderte und um Kommentare bat, erhielt er oftmals zwar zuerst nur die Antwort, darüber dürfe man aus polizeitaktischen Gründen nicht sprechen, dennoch sei vieles sehr hilfreich gewesen, um den Krimi „nah an der Wirklichkeit“ zu entwickeln, so Krämer.

"Dienst nach Vorschrift, keine Übergriffe, keine Gewalt"

Zu einer Lehrstunde in echter Polizeiarbeit wurde die Kooperation besonders für die beiden Kommissardarsteller. Zwei Vernehmungsspezialisten haben die beiden wie bei einem echten Verhör in die Zange genommen. In dem fiktiven Fall soll Dominic Raacke seine Frau ermordet haben, Boris Aljinovic habe ihm bei der Beseitigung der Leiche geholfen. Trotz ausführlicher Absprachen wurden Raacke und Aljinovic nach zwei Stunden „überführt“. „Es sind eben Fachleute, die einen spüren lassen, dass man lügt, die sich Zeit lassen, einen den Zweifel an der eigenen Aussage so lange spüren lassen, bis man fast daran erstickt“, sagte Aljinovic nach dem Verhör. „An polizeilichen Standards gemessen, wären die meisten TV-Ermittler schon nach ihrem ersten Fall vom Dienst suspendiert“, fand Raacke heraus.

Vor allem für den von Raacke gespielten Kommissar Ritter, der häufig aufbrausend reagiert, wurden die Verhöre von Entführer Braun zur Herausforderung. „Es galt die Ansage, Dienst nach Vorschrift, keine Übergriffe, keine Gewalt.“ Die Nähe zum Fall Metzler wäre einfach zu groß. „Diese Ruhe, die die beiden Kommissare im Film ausstrahlen, spiegelt ganz klar die Realität wider“, sagt Jutta Porzucek vom Morddezernat. „Wenn man einen Kindesentführer anschreit und der von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch macht, dann hat man einen riesigen Fehler gemacht“, weiß die Ermittlerin. Dass sich der Berliner „Tatort“ an diese Einsichten hält, macht ihn sehenswert. Allerdings stellt er die Zuschauer auch auf eine harte Geduldsprobe.

Eine Besonderheit des Kriminalfilms ist eine doppelte Vater-Sohn-Konstellation. Edgar Selge trifft im Film auf seinen Sohn Jakob Walser, der sonst am Theater arbeitet und für den „Machtlos“ seine erste professionelle Arbeit vor der Kamera ist. Als Michael Braun will er seinen Filmvater davor bewahren, zum Mörder zu werden. Doch auch ohne diese zusätzliche Spannung hätte der „Tatort“ funktioniert.

„Tatort: Machtlos“, 20 Uhr 15, ARD

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