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Medien: Ein Haltungs-Preuße

Er war Axel Springers engster Vertrauter. Heute feiert Ernst Cramer seinen 90. Geburtstag

Die preußische Maxime „Mehr sein als scheinen“ verkörpert er wie kaum ein anderer. Denn Ernst Cramer war und ist ein Mann von Einfluss. Dafür steht nicht nur die glänzende Laufbahn, die er im Imperium der SpringerWelt absolviert hat – erst als stellvertretender Chefredakteur und geschäftsführender Redakteur bei der „Welt“, dann als Herausgeber der Sonntagszeitungen, schließlich als Verlagsmanager auf den verschiedenen Ebenen des Unternehmens. Dafür steht vor allem, dass er ein enger Weggefährte, Berater und Freund des Verlegers selbst war. Man kann Cramers Rang auch an den Auszeichnungen erkennen, die ihm verliehen wurden – Großes Verdienstkreuz, Berliner Ehren-Professor, Ehrendoktor der israelischen Universität Bar-Ilan, Leo-Baeck-Medaille. Nur ihm selbst sieht man es nicht an: Eine bescheidenere graue Eminenz als diesen schmalen, unauffälligen Mann wird man kaum je finden.

Doch dieser Haltungs-Preuße ist in Wahrheit ein Bayer – eben hat er bei der Verleihung der bayerischen Verdienstmedaille bekannt, dass er „immer ein Kind dieser meiner schwäbisch-bayerischen Heimat geblieben“ sei. Und vor allem: In dieser Gestalt ohne Allüren tritt die deutsche Geschichte des vergangenen Jahrhunderts in ihrer schmerzhaftesten, hoffnungsvollsten Fasson vor uns. Das Dritte Reich machte aus dem jungen Augsburger einen verfolgten Juden, der Buchenwald erlebte und überlebte, dem es in letzter Minute gelang zu emigrieren, und der als amerikanischer Soldat nach Deutschland zurückkehrte. Anders als andere blieb er. Mehr noch: Er gehörte zu denen, die – seine KZ-Erinnerungen unverlierbar im Kopf – eine lange Nachkriegszeit dafür gearbeitet haben, dass die Deutschen wieder ihren Ort in der Welt fanden.

In Person und Schicksal verkörpert er die Möglichkeit von Partnerschaft und Versöhnung: Durch die gelebte Zeugenschaft für das, was geschehen ist, wie dafür, dass man es, trotz aller Unbegreifbarkeit, überwinden kann.

Als Journalist war und ist Cramer keine brillante Feder, vielmehr ein nüchterner Autor angelsächsischer Prägung, klar in den Aussagen, konservativ in der Ausrichtung. Die politische und intellektuelle Essenz des Hauses Springer – Treue zum transatlantischen Bündnis, zu Israel und zum Gedanken der Wiedervereinigung – hatte in ihm einen unbeirrbaren Verteidiger. Seine stärkere Wirkung aber erwuchs vermutlich aus der Nähe, in der er zu der merkwürdig-bemerkenswerten Verleger-Gestalt stand, und in seiner Verwachsenheit mit dem Geist des Hauses.

Er sei, so hat man ihm zur Illustration dessen bescheinigt, „im Hause anwesend, auch wenn er mal nicht da ist“. Daran hat sich nichts geändert, seitdem er vor vier Jahren das letzte seiner Ämter, den stellvertretenden Vorsitz des Aufsichtsrats, niedergelegt hat. Noch immer hat er ein Büro in der Führungsetage des Hauses, nahe dem von Friede Springer, und ist dort, so heißt es, noch täglich anzutreffen. Was das letzte Staunenswerte an ihm ist: An diesem Dienstag wird Ernst Cramer neunzig Jahre alt. Rdh.

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