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Medien: „Eine Serie ist kein Kaugummi“

„Berlin, Berlin“ läuft aus. ARD-Producer Bernhard Gleim über das Ende der Erfolgsserie

Herr Gleim, die Serie „Berlin, Berlin“ hat viele Preise gewonnen: vom GrimmePreis bis zur Rose von Montreux. Sogar für den Emmy ist sie in diesem Jahr nominiert. Warum ist nach der nächsten Staffel Schluss?

Man sollte, finde ich, eine Serie nicht überziehen, nicht überdehnen, bis sie ein langes Kaugummiband wird. Aber das ist nicht der eigentliche Grund, sondern der Grund ist, dass die Hauptdarstellerin Felicitas Woll eine Pause machen will.

„Berlin, Berlin“ funktioniert nicht ohne sie?

Ich glaubt nicht. Sie trägt die Serie. Auf sie zu verzichten, wäre zu riskant.

„Berlin, Berlin“ ist eine große Ausnahme unter den deutschen Serien. Warum sind viele andere so wenig inspiriert?

Ich glaube, viele klammern sich an den Mainstream wie an eine Planke. Sie sind zu ängstlich. Wir haben uns etwas getraut. „Berlin, Berlin“ ist eine Comedy, aber auch Gefühl ist drin, das ist wichtig am Vorabend: Man will mit den Figuren mitleben. Wir sehen uns mehr in der US-Serien-Tradition.

Können Sie sich erklären, weshalb US-Serien oft so viel besser sind als deutsche?

In Deutschland gibt es viele Sendeplätze für Fernsehfilme. Viele gute, junge Regisseure drehen lieber Filme. In den USA, wo das kommerzielle Fernsehsystem älter ist, ist die Serie das große Erzählgenre des Fernsehens. Die Amerikaner haben diese fantastischen Serien wie „Six Feet Under“ oder „Ally McBeal“.

Dann sind die Macher am deutschen Serien-Einerlei schuld und nicht die Zuschauer, von denen so oft behauptet wird, sie wollten die Programme genau so haben.

Ich finde es langweilig, den Zuschauern die Schuld zu geben. Obwohl: Im Moment stimmt es vielleicht sogar. Ein Kollege sagte immer: In guten Zeiten Brecht und Dante, in schlechten Zeiten „Charlies Tante“. Die Telenovela, die am Montag im ZDF begann und ziemlich konventionell ist, hatte bei älteren Zuschauern ja sehr gute Quoten.

…sie war sehr betulich, auch typisch für deutsche Serien…

…sie spielen fast immer Dorf. Und selbst beim „Großstadtrevier“, das aus Hamburg kommt, und bei der „Praxis Bülowbogen“ aus Berlin sind es verdörflichte Großstädte. Das trägt zur Überschaubarkeit bei, und das ist für diese Serien auch in Ordnung. „Berlin, Berlin“ ist dagegen eine städtische Serie. Unser Erzähltempo ist schneller. Die jüngeren Zuschauer, die wir haben, verstehen es trotzdem. Man braucht nicht immer eine so langsame Exposition, wie sie in deutschen Serien üblich ist.

„Berlin, Berlin“ hat bei den jungen Frauen von 14 bis 29 einen Marktanteil von fast 30 Prozent. Sonst kommt die ARD zu dieser Sendezeit in der Altersgruppe oft auf nicht mal zehn Prozent. Ihr Programmchef Günter Stuve hat gerade Probleme mit jungen Zuschauern eingeräumt.

Man kann nicht eine hohe Quote in allen Altersgruppen haben und gleichzeitig eine hohe Quote bei den Jungen. Die Jungen suchen sich ein Programm, das ihrem Lebensgefühl entspricht und das ist häufig anders als das des älteren Mainstreams.

Das Ende von „Berlin, Berlin“ macht die Akzeptanz bei den Jungen nicht besser.

Nein, aber wir haben keine Alternative: Wir haben gesagt, wir erzählen einen Lebensabschnitt von Lolle, und der ist jetzt zu Ende. Eine Serie bindet die Schauspieler, sie haben keine Möglichkeit, etwas nebenher zu machen. Ich kann gut verstehen, wenn sich junge Schauspieler nach anderen Perspektiven umschauen.

Wann ist Schluss mit „Berlin, Berlin“?

Wir drehen noch bis zum 17. Dezember, die letzte Staffel läuft dann vom 8. März an sechs Wochen lang.

Denken Sie schon darüber nach, wie es auf dem Sendeplatz weitergehen soll?

Klar, es wäre eine Straftat, wenn man das nicht machen würde.

In Amerika gibt es so genannte Spin-Offs: Man nimmt eine Figur aus der alten Serie und strickt eine neue drumherum. „Joey“ ist zum Beispiel so ein Ableger der Erfolgsserie „Friends“. Das wäre doch etwas für „Berlin, Berlin“?

Darüber denken wir nach, über eine Serie, die in Berlin spielt und in der die Hauptfigur wieder eng mit der Stadt verknüpft ist. Auch mit dem Autor David Safier wollen wir weiter zusammenarbeiten. Nur haben die neuen Figuren, anders als Lolle, ihren Platz im Leben bereits gefunden.

Das Gespräch führte Barbara Nolte.

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