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Tunnelblick im Kreuzverhör. Fernseh-Newcomer Dennis Wiese hat Oliver Kahn (r.) beim Casting in Berlin gleich mal geduzt. Vier Wochen werden sie zusammen mit Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein zum Team des ZDF bei der Fußball-WM in Südafrika gehören. Foto: ZDF

© Jürgen Detmers

Elf Freunde: Hi, Oliver!

Das ZDF schickt einen Berliner Studenten als „Fanexperten“ nach Südafrika

Mit dem Internet hat es Dennis Wiese in den nächsten vier Wochen öfter zu tun, der neue Fanexperte im ZDF. Und mit Oliver Kahn. Eine schöne Aufgabe für den Berliner bei Deutschlands Fernsehsportart Nummer eins, beim wichtigsten Sportevent diesen Jahres weltweit: Am Mittwoch ist Wiese nach Südafrika geflogen und hat sich akkreditieren dürfen als ZDF-Journalist im Mediencenter. Sein erster Flug dorthin. Heute hat er Fernsehpremiere. Vor einem Millionenpublikum soll der Fernseh-Nobody an der Seite von Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn eine Art Bindeglied zu den deutschen Fans in Südafrika darstellen. Ein Traumjob, das sagt der 26-Jährige selber. Von Nervosität Tage vorher beim Café in Berlins Mitte jedoch keine Spur. Arbeiten neben Oliver Kahn? Ruhe bewahren neben dem Titan? Den hat Wiese beim ersten Sehen gleich mal geduzt.

Fanexperte – das klingt ein bisschen so, als ob sich das altehrwürdige ZDF zur WM noch eine Art „Elf Freunde“-Touch geben wollte. Schon seit längerem hält ja ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz sein „Sport-Studio“ und dessen Interviewgäste mit schlauen Fan-Fragen via Internet-Video auf Trab. Moderne Zeiten. Manche finden’s kreativ. Manche nervt’s genauso wie das x-te Analyse-Tool zur Nachbetrachtung. Sei’s drum. Dennis Wiese nimmt seinen Job ernst. Er möchte während der WM die Eindrücke aus Südafrika zu den Fans nach Deutschland transportieren, Fragen beantworten wie: Was erlebt der Fan vor Ort? Wie laufen die Fanfeste ab? Was passiert hinter den Kulissen einer Fernsehübertragung, wie viel Aufwand steckt dahinter?

Dennis Wiese hat die Sonnenbrille abgesetzt. Noch ist WM-Ruhe in Berlin-Mitte, aber erkennen wird den Studenten jetzt eh’ noch keiner. Sein Handy klingelt. Das ZDF? Oliver Kahn? Nein, nur Wieses Kusine. Das könnte in ein paar Wochen anders sein. Mit Dennis Wiese als Sprachrohr, mit eigenem Videotagebuch und der von Oliver Kahn ins Leben gerufenen Internet-Plattform „Fan-Orakel“ (im Netz unter www.sport.zdf.de) – der junge Mann soll laut ZDF-Sportchef eine Art Ventil sein für Millionen Fans. Für Wiese geht damit ein Traum in Erfüllung. Er will die Zeit in Südafrika zwar „einfach nur genießen“, spekuliert aber auch darauf, dass ihn dieser Ausflug vor und hinter der Kamera seinem Traumjob als Fußballkommentator näher bringt.

Rund 250 Bewerber hatten sich für den ZDF-Fanexperten gemeldet. Mit Wiese hat sich das Zweite wohl den Richtigen gegriffen. Gebürtiger Berliner, Studium der Linguistik, Anglistik, Publizistik, kurz vorm Magister, erste Medienerfahrungen als Hertha-Reporter für einen Radiosender, vor allem aber das, was man einen Fußballverrückten nennt. Die passive Variante. Zu Hause bei ihm stapeln sich „Kicker“-Sonderhefte und Fußballer-Sammelkarten. „Ich war nie der begnadete Fußballspieler, habe es aber als Junge immer schon geliebt, Spiele zu kommentieren.“ Sein Spitzname: „Poschi“, von Wolf-Dieter Poschmann, dem ZDF-Moderator.

Vom Jugendzimmer übers „Sport-Studio“ zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Genauso locker, wie Wiese jetzt vor seinem großen Einsatz daherredet, ist er auch die Bewerbung angegangen. Vor ein paar Monaten hatte er beim „Sport-Studio“ eher zufällig vom Aufruf zum „ZDF-Fanexperten“ gehört. Gefragt war neben Fußball-Leidenschaft Kameratauglichkeit und Spontanität. Wiese hat ein Video mit einer Dieter-Bohlen-Imitation geschickt. Darauf muss man kommen. „Beim Casting der Top Five in Berlin war ich ziemlich nervös, bin dann mit dem Tunnelblick durch die Fachfragen der Jury.“ Jetzt wird er Kollege von Oliver Kahn und schwärmt. „Der ist ein ganz Lockerer, kam nicht mit gestrecktem Fuß auf mich zu.“

Ob er es denn aber auch mal wagen würde, anderer Meinung zu sein als die Kahns und Klopps. Wenn er für die Fans sprechen soll, wird er wissen, worüber sich die Fans vorm Fernseher gerne aufregen: nicht nur über Löws Aufstellung, sondern auch über das Geschwätz der Reporter und der sogenannten Experten. Manche stellen den Ton ab, wenn das Spiel im Fernseher läuft. So weit ist der Fanexperte nie gegangen. Klar, es könne schon sein, das viele Ex-Fußballer und Experten aus ihrer aktiven Zeit so eine Art Sprech haben, der nicht gerade kreativ ist, sagt Wiese. „Ich werde mich nicht scheuen, anderer Meinung zu sein als die Kommentatoren, Experten oder Moderatoren.“ Er habe da jetzt keine Vorbilder, auch nicht „Poschi“ oder Kahn.

Was die Chancen der deutschen Mannschaft betrifft, hört sich der ZDF-Fanexperte im Pressegespräch aber fast ein bisschen so an wie Jürgen Klinsmann, der RTL-Kollege. „Wir deutschen Fans werden in Südafrika alles geben, um unsere Jungs nach vorne zu peitschen und zu helfen, dass sie über sich hinaus wachsen, dann ist alles möglich.“ Er fürchte aber, dass im Halbfinale Endstation ist.

Sollte es für Deutschland bei der WM noch weniger werden, ist Wiese Kummer gewöhnt: als eingefleischter Hertha-Fan.

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