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Medien: „Erzähl’ mir keinen vom Pferd“

Jörg Thadeusz über seine neue Talkshow, Ulla Kock am Brink und unironische Prominente

Kamen Ihre Vorfahren aus der Savanne?

Wieso?

Weil Sie herumziehen wie ein Nomade. Kaum ein Moderator ist so viel unterwegs. Mit der RBB- Talkshow „Leute am Donnerstag“ haben sie jetzt sechs Jobs bei vier dritten Programmen. Es gibt keinen Abend, wo man das Fernsehen anstellt und nicht Ihr Gesicht sieht.

Das ist zwangsläufig für einen freien Moderator, der beim Rundfunk oder Fernsehen arbeitet. Wir sind ein Wandervolk. Ich muss der Arbeit hinterherfahren, muss gucken: Wo ist was Schönes? Eigentlich bin ich ein sesshafter Mensch. Ein Wohner.

Ihr Typ scheint jedenfalls ziemlich gefragt zu sein, einen Nerv zu treffen. Kritiker vergleichen Sie mit einem Moderator, der damals frischen Wind in Talkshows gebracht hat: Thadeusz, der Hoffnungsträger der Post- Post-Küppersbusch-Ära.

Eins nach dem anderen. Das ist höchst schmeichelhaft. Ich verneige mich vor der sprachlichen Wucht eines Friedrich Küppersbusch. Er stammt auch aus der Gegend, wo ich herkomme, ist einer der größten Gegenwarts-Dortmunder.

Der WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf wollte mal ein jugendlich orientiertes Magazin einführen, Arbeitstitel „ZAK 3“ – mit Ihnen als Moderator.

Daraus wurde im WDR der „Kanzlerbungalow“.

Kein dauerhaftes Format.

Tja. Vor einem Nachfolger von „ZAK“ haben alle Angst gehabt.

Sie auch?

Die Schuhe sind reichlich groß. Wenn ich jetzt eine eigene Talkshow mache, muss ich mir eine Medienpersönlichkeit zurechtlegen. Da kann ich nicht nach Küppersbusch schielen. Man muss Individuum bleiben.

Es wird viel über die Zukunft der Talkshows geredet. Jetzt machen Sie auch noch eine. Was wollen Sie anders machen als die anderen?

Muss ich das überhaupt?

Ihr Markenzeichen ist die Ironie. Die ist kein herausragendes Merkmal bei Prominenten, auch nicht bei Berlin-Brandenburger Talkshows und bei Ulla Kock am Brink, wie man am vergangenen Donnerstag bei der ersten Ausgabe sehen konnte.

Zunächst mal: Da ist Potenzial. Die Leute beim RBB brechen gerade auf zu neuen Ufern. Und hier in Berlin, da sitzen sie doch alle. Schauspieler, Künstler. Und Politiker…

…die gehen bei „Christiansen“ ein und aus.

Mit Politikern will sich der RBB ja auch zurückhalten.

Je weniger Politik, desto besser die Talkshow?

Politikern fehlt es eindeutig an Glamour und zwar komplett. Andererseits schimmert immer ein bisschen was durch. Bei Wolfgang Clement ein Hauch von Al-Pacino-Grimmigkeit, für Edelgard Bulmahns Beine würden sich einige Hollywoodstars mehrere Wochen operieren lassen. Außerdem möchte ich meine eigenen Polit-Stars befragen dürfen wie Egon Bahr oder Horst Ehmke. Glamour hin oder her.

Noch mal zu Ihrer Art, Gespräche zu führen. Geht das: Ironie mit Prominenten?

Ob Schauspieler oder Politiker, ich muss mir eine Vorstellung davon machen können, wie ihr Leben funktioniert. Ist das schön, oder nicht schön? Oder verkaufen sie uns mindestens eine schöne Illusion, ein Ausnahmeleben, an das wir glauben können. Außerdem möchte ich nicht hören „ich lebe genauso wie alle anderen Menschen, ich bin normal geblieben“. Das ist frustrierend, weil der Normalgebliebene vorm Fernseher denken muss: Mensch, was muss ich alles machen, damit das Normale mal aufhört, wenn selbst erfolgreiche Schauspieler jeden Tag den Müll runterbringen?

Unabhängig von den Gästen – was erwartet der RBB von Ulla Kock am Brink und von Ihnen? Die Premiere sahen 220 000 Zuschauer.

Wir sollten so viel Persönlichkeit haben, dass die einschalten, auch wenn die Gäste nicht so toll sind.

Kannten Sie Ulla Kock am Brink?

Nein. Sie hat wegen der Sendung vor Wochen zum ersten Mal angerufen. Mittlerweile weiß ich: Sie ist ein verlässlicher Profi, anders unterwegs als ich, kann sich besser an prominente Gäste heranpirschen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht sowas Eckkneipiges kriegen, weil wir beide aus dem Ruhrgebiet stammen.

Man hat eher den Eindruck: Ulla Kock am Brink passt auf Sie auf.

Wieso?

Sie haben dieses Konfirmandenlächeln, dazu die Ironie, der Zuschauer denkt: Der macht sein Ding wie Küppersbusch. Aber auch die Ahnung, dass der Thadeusz für eine Pointe jederzeit jemanden umbringen würde.

Sehe ich so aus?

Eben nicht. Als Sie bei der „NDR Talk Show“ eingesprungen sind, haben Sie die Ex-DDR-Sportlerin Andrea Kiewel mit Doping-Fragen auflaufen lassen.

Mein Vorbild ist Hubertus Meyer-Burkhard. Ein Gentleman. Aber der sagt, ohne es auszusprechen: Du erzählst mir jetzt hier keinen vom Pferd.

Es gibt Moderatoren, die mit dieser frisch- frechen Art schon Rückschläge hinnehmen mussten, wie zum Beispiel Barbara Schöneberger. Mit de r Co-Moderation bei „Leute am Donnerstag“ sind Sie ein Wagnis eingegangen.

Ja, aber nur, weil ich dafür mein geliebtes „Extra 3“ aufgeben muss. Dadurch wird mein Leben ruhiger. Ich muss nicht mehr jeden Mittwoch nach Hamburg fahren. Meine Freundin sagt, wenn mir was fehlt, soll ich mich einfach in den Zug setzen.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg.

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