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Medien: Es gibt ein Leben nach Lengede

Katharina Wackernagel ist auf freche Töchter abonniert – heute spielt sie die von Dieter Pfaff

Es nervt Katharina Wackernagel, dass junge Schauspielerinnen immer wieder mit ihrer Rollenfigur verwechselt werden.

„Ach, Tanja Wackernagel. Schön Sie kennen zu lernen“ – so lautete eine der Standard-Vorstellungsfloskeln, als sie Ende der 90er in der ARD-Vorabendserie „Tanja“ die Titelrolle spielte. Einen „Goldenen Löwen“ bekam sie dafür, ein Lob im „Spiegel“, aber eben auch das Etikett, dass sie selbst so zupackend und impulsiv sei, wie das Rostocker Reederei-Lehrlingsmädchen Tanja, das sie drei Jahre lang spielte.

Heute Abend ist sie zum fünften Mal als Leonie, die Tochter von Dieter Pfaff, in der Psychologen-Serie „Bloch“ zu sehen. Und hier ist sie so überzeugend renitent, frech, nervig, dass man nicht anders kann als Mitleid mit den echten Eltern Wackernagel zu haben.

„Was würde ich denn hier machen, wenn ich das nicht spielen würde? Mein Beruf ist es doch, in eine Rolle zu schlüpfen, die mir persönlich fremd ist!“, sagt Katharina Wackernagel, und sie regt sich wirklich ein bisschen auf. Vielleicht sollte man an dieser Stelle sagen, dass Katharina Wackernagel, wenn man mit ihr spricht, sehr freundlich ist. Und das scheint ihr auch wichtig zu sein. „Ich bin ein friedlicher Mensch“, sagt sie. Nie wolle sie jemanden vor den Kopf stoßen. Blochs Tochter Leonie mit dem losen Mundwerk zu spielen, ergänzt sie dann noch, koste sie richtig Überwindung.

Katharina Wackernagel ist in einer Schauspielerfamilie aufgewachsen: der Vater Regisseur, die Mutter Schauspielerin. Ebenso der Onkel, Christoph Wackernagel, der früher bei der RAF war.

Eigentlich wollte Katharina Wackernagel zum Theater, wie die Eltern. Erst wollte sie aber Abitur machen und anschließend an die Schauspielschule. Und dann ging sie mit 17 zu diesem Casting, dachte sich: Fernsehen ist doch eigentlich blöd. Aber sie warf 450 andere Mädchen aus dem Rennen. Noch heute, wenn sie zu einem Casting geht und die Rolle wirklich will, denkt sie: „So entspannt möchte ich wieder sein.“ Mit der Serie kam dann alles ganz anders: Sie schmiss das Abitur, zog mit der Fernseh-Crew nach Rostock. „Alles, was man beim Drehen können muss, habe ich in den drei Jahren bei ,Tanja’ gelernt. Das war meine Schule.“

Sie hat so eine ganze eigene Art entwickelt, die Lippen aufzuwerfen, wenn sie trotzig ist oder wütend. In diesen Momenten wirkt sie extrem jung und verletzlich. Solche Gefühle stehen ihr. Und so bekam sie nach „Tanja“ zwar viele neue Rollenangebote, aber immer waren die Rollen ähnlich: junge, gradlinige Mädchen, Abiturientinnen, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Katharina Wackernagel war von Beruf Tochter geworden.

Seit vergangenem Jahr ist sie erwachsen. In „Das Wunder von Lengede“, einem der erfolgreichsten Filme des Fernsehjahres 2003, spielt sie die Freundin eines jungen, tödlich verunglückten Bergarbeiters. In Sönke Wortmanns Film „Das Wunder von Bern“, der den deutschen Sieg bei der Fußball-WM 1954 zum Thema hat, ist sie eine zickige, kokette Fußballer-Ehefrau. Und sogar in Hollywood war sie im vergangenen Jahr. 2003 ist ihr wirklich alles gelungen. Bei einem Filmfest in Los Angeles durfte sie „Das Wunder von Bern“ für die Exportunion des deutschen Films präsentieren. Ganz allein, eine tolle Ehre – findet Katharina Wackernagel. Wäre man in Hollywood und nicht in Deutschland, würde man ihr den Oscar für die beste Nebenrolle verleihen.

Wie geht es weiter? Kommen dieses Jahr die Hauptrollen? „Die Kathi ist unser Zukunftsstar“, sagt Berengar Pfahl, der Regisseur von „Tanja“. Und Katharina Wackernagel hat wirklich ein ausdrucksstarkes Gesicht: dunkle Augen, geschwungene Brauen, hohe Wangen. Sie hat eine dunkle Stimme. Das Lachen, für das sie in der Kehle irgendwie Anlauf nimmt, ist herzlich, laut und rauchig – fast wie eine Verführerin. Und singen kann sie auch. „Je nuller die Uhr, desto mitter die Nacht“ heißt der Chansonabend, den sie mit ihrer Mutter in Kassel gegeben hat. Aber ein Star? Wer kann schon voraussagen, wer ein Star wird und wer nicht?

Zurzeit steht sie gerade im Ring: In einem Fernsehfilm soll sie eine junge Boxerin spielen. Und sie dreht. Der Harz war eine der letzten Stationen. Die Arbeit für das ZDF-Fernsehspiel „Dornröschens leiser Tod“ mit Nadja Auermann als Mordverdächtige und der Wackernagel als Kommissarin. Damit hat sie wahrscheinlich einen Rekord aufgestellt: als jüngste Kommissarin Deutschlands.

Aber zuerst streitet sie sich heute Abend nochmal heftig mit dem „Egoisten und Stinkstiefel Bloch“, den sie als Vater im richtigen Leben nicht ertragen könnte.

„Bloch“: ARD, 20 Uhr 15

Annette Schmiede

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