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Medien: Europaberichterstattung: Das Interesse ist gleich null

Die Engländer trauen Brüssel offenbar alles zu: Die Boulevardpresse tischt ihren Lesern gelegentlich Schlagzeilen auf, in denen behauptet wird, die Europäische Union habe den Krümmungswinkel von Bananen vorgeschrieben. Ganz so ist es bei der BBC, dem Privatsender Channel 4 und der RAI zwar nicht.

Die Engländer trauen Brüssel offenbar alles zu: Die Boulevardpresse tischt ihren Lesern gelegentlich Schlagzeilen auf, in denen behauptet wird, die Europäische Union habe den Krümmungswinkel von Bananen vorgeschrieben. Ganz so ist es bei der BBC, dem Privatsender Channel 4 und der RAI zwar nicht. Aber um europäische Berichterstattung kümmern auch sie sich kaum. Das besagt eine Studie des Europäischen Medieninstituts (EMI). Die ARD schnitt etwas besser ab; auch in Frankreich und den Niederlanden konnte das Institut Ansätze einer Europaberichterstattung feststellen. Doch kein Vergleich zu Polen: Im Fernsehen des EU-Anwärters nahmen Europathemen den mit Abstand breitesten Raum ein.

Im Detail betrachtet sind die Ergebnisse, die EMI-Generaldirektor Jo Groebel beim Europaforum in Brüssel vorstellte, noch ernüchternder. In allen Ländern beschäftigten sich "nur eine Handvoll Sendungen" gezielt mit europäischen Fragen, keine davon in privaten Programmen. Aber auch die Öffentlich-Rechtlichen verstecken Sendungen wie das ARD-"Europamagazin" jenseits der Prime Time. "Wenn Europa auf der Packung steht, ist das ein Ladenhüter", sagte "Weltspiegel"-Moderator Albrecht Reinhardt. Groebel stimmte zu: "Im Grunde gibt es keine gemeinsamen europäischen Inhalte".

"Europa entzündet, anders als die USA, keine Fantasie", sagte Jo Groebel und traf damit genau die Stimmung der Teilnehmer. Sie alle warteten am Dienstag gespannt auf Nachrichten von den Präsidentschaftswahlen. Im Vergleich zu den USA sei das vereinte Europa nur "ein Vakuum, das ab und zu durch eine handliche Katastrophe wie BSE oder den Untergang eines Giftfrachters gefüllt wird", bemerkte Sonia Mikich, ARD-Korrespondentin in Paris. Was also tun, damit Europa die gebührende Aufmerksamkeit erhält? Die Debatten auf dem Europaforum, das der WDR und die deutsche Vertretung der EU-Kommission veranstalteten, ließen nichts Gutes erahnen. Journalisten und Politiker gaben sich am liebsten gegenseitig Schuld. Luc Rosenzweig, langjähriger Redakteur von "Le Monde", bemühte gar das französische Sprichwort: "Man kann einen Esel nicht zum Trinken bringen, wenn er nicht trinken will." Allein schon das Wort Europa habe offensichtlich eine so abschreckende Wirkung, dass man europäische Themen am besten ohne Nennung der Sache im Programm unterbringt, provozierte ARD-Koordinator Hartmann von der Thann - und fragte, "ob man solche Reservate nicht eigentlich überflüssig machen muss?" Erstaunlich nur, dass von der Thann später, vor eingeschalteter Fernsehkamera, wieder ganz anders klang und die von ihm zuvor kritisierte Idee eines "Berichts aus Brüssel" begrüßte.

Geradezu enthusiastisch kam dagegen Sonia Mikich daher: "Wir Journalisten sind faul, weil wir den Politikern hinterherlaufen. Wir dürfen ihnen nicht die Definitionsmacht überlassen." Man könne die Zuschauer durchaus mit Visionen strapazieren: "Irgendwann machen wir Journalisten unsere Pflichtübungen. Warum nicht jetzt damit anfangen? Ich möchte dieses Thema angehen - ohne den Quotendruck und ohne die Klagen, das interessiere zu wenige." Bleibt zu hoffen, dass man sie lässt. Am Ende geht der Esel vielleicht doch ganz gerne zur Tränke, sei es im Reservat oder anderswo.

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