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Gleich geht’s los? Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wartet am Sonntag auf ihren Auftritt im ARD-Wahlstudio.

© dpa

Europawahl und Öffentlich-Rechtliche: Rezo-Faktor negativ

Was die Seniorenparteien CDU, CSU und SPD mit dem Seniorenfernsehen ARD und ZDF gemein haben.

Die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wählen mehrheitlich CDU und CSU. Das ist eine scharfe These, die sich auf eine Beobachtung stützt, die sich wiederum auf zwei Statistiken stützt. Bei der Europawahl 2019 konnte die Union unter den 18- bis 29-Jährigen annähernd 13 Prozent der Stimmen gewinnen, bei den Älteren wächst der Wert stetig, um bei den Wählern jenseits der 60 seinen Höhepunkt nahe der 40-Prozent-Marke zu finden. In abgeschwächter Form findet sich dieses Tableau auch bei der SPD.

Die Sehdauer in Minuten für die öffentlich-rechtlichen Programme schmiegt sich dem Wahlverhalten an. Dieser Wert, wie er sich den Zahlen der ARD-Medienforschung seit Jahresbeginn 2019 zeigt, liegt in der Gruppe der 14- bis 19-Jährigen bei zehn Minuten täglich. 20 bis 29 Jahre: 17 Minuten; 30 bis 39 Jahre: 35 Minuten; 40 bis 49 Jahre: 67 Minuten.

Im Cluster der 50- bis 59-Jährigen springt die Sehdauer auf 124 Minuten, in der nächsten Zehnergruppe liegt sie bereits bei 207 Minuten, der Rekord wird bei den 70- bis 79-Jährigen mit 269 Minuten erreicht, das sind fast viereinhalb Stunden öffentlich-rechtlicher TV-Konsum.

Die Jungen wählen die Grünen

Die Wähler der Bündnisgrünen finden sich quasi in einer auf den Kopf gestellten Unions-Statistik. In der Altersgruppe der über 60-Jährigen findet sich ein Wert um die 14 Prozent, um dann bei den Wählern zwischen 18 und 29 Jahren an die 30-Prozent-Marke heranzureichen.

Also: Das Seniorenfernsehen sendet für die Wählerinnen und Wähler der großen Seniorenparteien CDU und CSU plus die Anhänger der kleineren Seniorenpartei SPD? Falsch daran ist die Annahme, das Fernsehen von ARD bis ZDF wäre ein „Wahlhelfer-TVfür die Groko-Regierung. Das ist es nicht, diese Fernsehpublizistik sucht das große Bild im Parteienspektrum. Und doch hat sich bei einem Gutteil der Zuschauerinnen und Zuschauer das Gefühl eingeschlichen, wenn nicht die Gewissheit festgesetzt, dieses Fernsehen kümmere sich viel zu wenig um die jungen bis jüngeren Altersgruppen, ihre Themen und Probleme. Also wird hier kaum bis gar nicht eingeschaltet.

Dieser Generationenabriss zwischen den Zuschauergruppen der öffentlich-rechtlichen Programme, respektive die Entfremdung zwischen den „Öffis“ und der Jugend, ist nicht neu; beide Entwicklungen haben vor Jahren eingesetzt, sich aber über die Jahre nicht abgeschwächt, sondern verschärft.

Natürlich haben ARD und ZDF das bemerkt und reagiert. Sie haben das jugendaffine Internetportal Funk ins Werk gesetzt, es gibt tagesschau24, es gibt heute.de, es gibt Jan Böhmermann – und doch können deren Reichweiten die Reichweitenverluste bei den jungen TV-Zuschauern längst nicht ausgleichen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat ein veritables Akzeptanz- und Imageproblem. Was übrigens auch für die meisten der traditionellen Mediengattungen gilt.

Glaubwürdigkeit ist nicht Reichweite

Auch hilft es wenig, dass Jugendliche bei der Glaubwürdigkeit von Nachrichtenangeboten „tagesschau“, „heute-journal“, öffentlich-rechtlichem Radio und der seriösen Tageszeitung beste Zeugnisse ausstellen, ihr Lieblingsfernsehsender ist der unterhaltungsorientierte Sender ProSieben – und ihr Lieblingsmedium ist das Internet.

Eine Umfrage der Vodafone Stiftung unter 14- bis 24-Jährigen zeigt, dass unter den Online-Medien Youtube deutlich vorne liegt, wenn es um die Information über das aktuelle wie das politische Geschehen geht. Der Millionenerfolg des Youtubers Rezo mit seinem Video „Die Zerstörung der CDU“ ist kein Zufall, sondern Ausfluss eines eingeübten Medienverhaltens und Politikverständnisses. Union und SPD wollen als Reaktion auf den Rezo-Schock ihre Online-Ressourcen aufstocken. Das wird interessant zu beobachten sein, ob den Parteien besser gelingt, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur in Ansätzen geglückt ist – Kommunikation aufzubauen.

Nicht mit Wut – mit Dankbarkeit: Rezo hat vielen jungen Menschen in Erinnerung gerufen, dass es a) Politik und Parteien auch jenseits seiner politisierten Youtube-Performance, dass es b) die CDU noch gibt. Dito SPD. Deren Vorsitzende Andrea Nahles sollte im ZDF-Format „Was nun ...?“ am Montag Rede und Antwort stehen. Ernsthaft notwendiges Fernsehen. Genau dieses Fernsehen hat Rezo und sein Video groß gemacht. Soziale Medien und klassische Medien sind symbiotisch veranlagt, eine Chance für beide.

Und die CDU, die SPD? Haben endlich eine Aufgabe für Tilman Kuban und Kevin Kühnert, die Vorsitzenden von Junger Union und Jusos, gefunden. Raus aus den analogen Handlungs- und Denkmustern und rein ins digitale Imperium. Größer werden als im Fernsehen groß sein.

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