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Aus dem Zusammenhang gerissen. Ellen Häring fand ihr verfremdetes Foto auf einem rechten Forum auf Facebook wieder

© Deutschlandradio Kultur

Falschmeldungen auf Facebook: Verdrehte Wahrheit

Im Internet kursieren falsche Meldungen über Flüchtlinge. Sie klingen zunächst positiv, dienen jedoch der Hetze - vor allem gegen die Presse.

Eine Frau steht vor einem Supermarkt und hält Essensgutscheine in die Kamera. Ihr Gesicht ist verpixelt. Dies sei die obdachlose und leberkranke Malice T. und die Essensgutscheine habe sie von Flüchtlingen geschenkt bekommen, so die Meldung vom „Bergheimer Tageblatt“, in der das Foto angeblich erschienen ist. Die Frau auf dem Foto heißt jedoch nicht Malice T., sondern Ellen Häring. Sie ist nicht obdachlos oder leberkrank, sie ist Reporterin und die Meldung ist ein Fake. Auch das „Bergheimer Tageblatt“ existiert nicht. Das Foto mit den Essensgutscheinen machte Häring vor einem Jahr für eine Reportage, die auf der Seite von Deutschlandradio Kultur veröffentlicht wurde. Häring fand ihr Foto ein Jahr später mit der gefälschten Meldung in einem rechtsradikalen Forum auf Facebook wieder. In den Kommentaren zu der Falschmeldung habe gestanden, die Flüchtlinge würden sich alles zusammenklauen und mit Essensgutscheinen Frauen kaufen, erzählte Häring dem Deutschlandradio in einem Interview vergangene Woche.

Lügenpresse und Verbrecherflüchtlinge

„Solche Falschmeldungen zielen auf negative Reaktionen ab, auch wenn sie positiv formuliert sind“, sagt Andre Wolf vom Verein Mimikama, der sich mit Falschmeldungen im Netz beschäftigt. Gleich auf mehreren Ebenen könne so Stimmung gegen Asylpolitik gemacht werden: Zum einen sollen die Leser denken, Flüchtlingen ginge es zu gut und sie hätten keine Hilfe nötig. Zum anderen: Die Presse lüge und versuche Flüchtlinge in ein gutes Licht zu stellen, wenn es sich in Wahrheit um Verbrecher handele. „Solche Meldungen dienen dazu, die Presse zu diffamieren. Am Ende sollen Leser keinem Artikel mehr glauben, auch wenn er echt ist“, sagt Wolf.

Falschmeldungen solcher Art gibt es viele. Die Fotos hierzu werden aus dem Netz genommen und aus dem Zusammenhang gerissen. „Flüchtling aus Syrien findet 50 Euro und übergibt sie feierlich dem Rathaus“, steht in einer anderen Falschmeldung von „Spieglein.de“. Das Foto von einem Mann, der einen 50- Euro-Schein in der Hand hält, ist jedoch eigentlich vom „Westfalen-Blatt“ und gehört zu einer Geschichte über einen eritreischen Mann, dem die Busfahrt verwehrt wurde, weil der Fahrer seinen Schein nicht wechseln wollte. Anders als bei echten Meldungen führen solche „False Flags“ nicht auf einen vollständigen Bericht, sondern zeigen allein Screenshots des vermeintlichen Artikels. Deshalb findet man solche Meldungen allein auf sozialen Netzwerken, wie Facebook oder YouTube. „Die Meldung so wie das Medium, auf das verwiesen wird, gibt es nicht“, sagt Wolf, „deshalb ist es wichtig bei jedem Artikel die Quelle zu überprüfen“.

Falsche Überschriften zu echten Artikeln

Doch auch bei echten Quellen lässt sich über soziale Netzwerke ein falscher Kontext herstellen. Dies machte sich der rechtspopulistische Verein Pegida zu eigen. Auf Facebook postete er einen Artikel von „Spiegel online“ mit der Überschrift „Asylbetrüger besteigen Eurocity Richtung Germany“. In dem Post hob Pegida hervor, dass auch ein Massenmedium wie „Spiegel online“ das Wort „Asylbetrüger“ benutzen würde. Die eigentliche Überschrift des Artikels lautete jedoch anders – auf der Seite von „Spiegel online“ selbst stand: „Flüchtlinge in Mazedonien: Panik vor dem Zaun“. Pegida behauptete, die Überschrift sei erst im Nachhinein von „Spiegel online“ verändert worden, wahrscheinlich habe ein Volontär vergessen, den „internen Arbeitstitel“ vor Veröffentlichung zu entfernen. „Spiegel online“ reagierte ebenfalls auf Facebook und dementiere die Behauptung von Pegida.

Eine völlig legitime Funktion

Auf Facebook lassen sich Überschriften von geposteten Artikeln problemlos ändern. Das ist eine völlig legitime Funktion des sozialen Netzwerkes“, sagt Wolf. Ein Klick auf die Überschrift eines Artikels reicht, um sie zu ändern, dann folgt der Post. Eigentlich wurde diese Option von Facebook eingerichtet, um Artikel mit langen Überschriften auf Facebook lesbarer zu machen. Es gibt jedoch keinen Hinweis für die Leser darauf, ob eine Überschrift für Facebook verändert wurde. Allein wenn man auf die Ursprungsseite geht, lässt sich der Unterschied feststellen. Da viele Leser jedoch nur die Vorschau auf Facebook lesen, ohne auf den Artikel zu klicken, kann so schnell ein falscher Eindruck entstehen.

Der Post von Pegida wurde bereits am Sonntagabend wieder gelöscht, kurz nachdem „Spiegel online“ verkündete, sich weitere Schritte gegen Pegida vorzubehalten. Die Aktion von Pegida verstößt nicht gegen die Richtlinien von Facebook. Allein eine Verletzung des Urheberrechts könnte als Grund zählen, um solche Meldungen von Facebook löschen zu lassen. Diese Art von „Überschriftenfälschung“ sei jedoch der erste Fall, der Wolf aufgefallen ist. „Ob so etwas noch einmal passiert, müssen wir beobachten“, sagt er.

Alice Hasters

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