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Fernsehen: Reich und glücklich

Verzweifelt gesucht: die Erfolgsformel für TV-Serien

Wenn die Serie die Königsdisziplin des Fernsehens ist, dann zählt Deutschland zum verarmten Adel. Am Hofe regiert die Angst, das Publikum mit Ungewohntem zu verschrecken. Warum auch? Läuft doch super! Allerdings nur das gewohnte Einerlei, von „In aller Freundschaft“ (ARD) bis „GZSZ“ (RTL). WDR-Dramaturg Frank Tönsmann bezeichnete die deutschen Sender bei den Marler Tagen der Medienkultur zum Thema Serien als „Sklaven des Erfolgs“, weil sie sich auf die immer selben Rezepte im Quotenspiel verließen. Der Mann muss es wissen, er ist Redakteur der „Lindenstraße“.

Die durchschnittlichen Quoten der wenigen innovativen Formate wie „Türkisch für Anfänger“ (ARD), „KDD“ (ZDF) oder „Dr. Psycho“ (ProSieben) sind auch keine Ermutigung. Der aktuelle Star der Szene, Bora Dagetkin („Türkisch für Anfänger“/ARD, „Doctor''s Diary“/RTL), hat seine Erfahrungen gemacht. Als Autor müsse man vor allem die Erwartungen der Verantwortlichen in den Sendern erfüllen, sagte er. Wie er damit umgehe, dass die Sender es allen recht machen wollten? „Einfach ignorieren.“

Das dürfte selten funktionieren, die Sache läuft auch für erfolgreiche Autoren meistens andersherum. Martin Rauhaus durfte sich nach einer einzigen Vorgabe – im Mittelpunkt soll eine übergewichtige Ärztin stehen – eine Serie ausdenken. Aber auch „Dr. Molly & Karl“ (Sat1) lief nicht wie erhofft, wurde unterbrochen und wird erst wieder im Januar fortgesetzt. Rauhaus hat nach seinen Erlebnissen mit dem heuschreckengeplagten ProSiebenSat1-Konzern eine dezidierte Meinung: Es gehe dort immer nur um die Aktie und ums Geld, sagte er. „Es sind fürchterliche Dinge, die da laufen.“ Zugleich gebe es „irre viele Menschen, die eine Meinung haben. Jeder hat seine Formel und weiß es ganz genau“.

So ist man dankbar, wenn mal ein Anstoß von außen kommt. Wie im Fall von „Kommissarin Lund“. „Das ist fast zu gut, was wir hier vorhaben“, sorgte sich Peter Nadermann von ZDF Enterprises, Co-Produzent der ungewöhnlichen dänischen Krimiserie (Originaltitel: „The Killing“). Ein Mordfall, der erst nach zehn langen Folgen aufgeklärt wird. Ein düsterer Stil, der auf die Postkarten-Ansichten des beliebten Ferienlandes verzichtete.Und eine Heldin, die zunehmend verbissen wirkte und meistens im immergleichen Norweger-Pulli herumlief. Erst nach „viel, viel Überzeugungsarbeit“ sei es ihm gelungen, sagte Nadermann, die Serie bei seinem Mainzer Muttersender zu platzieren. Doch das ZDF hat seinen Sendeplatz für anspruchsvolle Krimis am späten Sonntagabend gepflegt, und siehe da: Beachtliche 2,8 Millionen Zuschauer hielten der Kommissarin die Treue. Mittlerweile wird eine zweite Staffel gedreht.

Irgendwie wissen alle, wo es im Argen liegt. Der Erfolg im Falschen. Die mangelnde Geduld. Der fehlende Mut. Die Geringschätzung der Autoren. Das Hereinreden zu vieler. Nur ändern tut sich nichts, und die heraufziehende Rezession wird die Risikobereitschaft, jedenfalls bei den Privatsendern, nicht gerade steigern. „Fortsetzung folgt“, lautete der Titel der Tagung. Es wird wohl ein Trauerspiel bleiben.Thomas Gehringer

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