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Pfaff

© SWR

Fernsehen: Warum, Sabine, warum?

Mord am eigenen Kind: Ein neuer Fall für Bloch, den Psychotherapeuten, dargestellt von Dieter Pfaff. Michael Verhoeven inszeniert mit Dezenz und Ernsthaftigkeit.

„Hagel und Feuer kommen über das Land, sie sind mit Blut vermischt. Und ein großer brennender Berg wird ins Meer geworfen.“ Wie apathisch gibt die Frau immer wieder die Bibelzitate von sich, sie stammen aus der Offenbarung des Johannes. Ihr Gegenüber nimmt sie überhaupt nicht wahr, starrt ins Leere. Sabine Doran (Birge Schade) hat gerade ihr Kind verloren. Ihr Sohn Paul wurde vier Tage alt. Mit einer Decke hat sie ihn erstickt. Sieben Jahre haben die Dorans auf ein Kind gewartet, vergebens. Nun, wo überraschend eines kam, nun waren sie darauf nicht mehr vorbereitet, dafür nicht mehr bereit. Haben sich ein ganz anderes Leben eingerichtet, ohne Kind.

Nach ihrer Verhaftung, da gesteht Sabine Doran die Tat. Sie haben ihn nicht mal taufen können, sagt der zutiefst fassungslose und geschockte Ehemann und Apotheker Michael Doran (Rainer Sellien) einmal zu Maximilian Bloch (Dieter Pfaff), den bärigen Psychotherapeuten aus Baden-Baden, der sich der Familie annimmt und zudem mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wird. Kannte Bloch die Dorans doch zuvor schon. Als Sabine, hochschwanger und scheinbar glücklich am Gemeindefest teilnahm, ihren Mann vor den Augen Blochs und dessen Lebensgefährtin Clara (Ulrike Krumbiegel) verliebt küsste. Nichts mehr ist nun so, wie es vor kurzem noch war. Sein Sohn sei tot, seine Frau eine Mörderin – er habe nun keine Familie mehr, sagt Michael Doran dem insistierenden Bloch. Denn dieser kann und will so gar nicht verstehen: Wie nur konnte es dazu kommen, dass eine Mutter ihr Kind wenige Tage nach der Geburt tötet? Und erst mit der Geburt in religiöse Wahnvorstellungen verfällt, den Tod als Gottes Wunsch bezeichnet und selbst folgen will.

Michael Verhoeven, gerade 70 geworden, hat zwischen seinen Arbeiten für das Kino („Die weiße Rose“), und seinen polithistorisch so engagierten Dokumentarfilmen („Der unbekannte Soldat“, 2006) wieder einen Ausflug in die Fernsehregie unternommen. Mit „Bloch: Vergeben, nicht vergessen“ nach dem Drehbuch von Regine Bielefeldt hat er einen Fernsehfilm inszeniert, der innerlich wie äußerlich zwischen Licht und Schatten wechselt, zwischen Hell und Dunkel, zwischen Himmel und Hölle. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Auch und vor allem nicht mehr im Leben der Dorans. Das zeichnet Verhoeven in der ihm eigenen Dezenz und Ernsthaftigkeit behutsam und bewegend nach. Obgleich anzumerken ist, dass das Drehbuch in der zweiten Hälfte des sich immer mehr verdichtenden Films deutlich stärker ist als in der ersten. Anfangs, da mag die durchaus komplexe und nicht eben leicht zu erzählende Geschichte um die in eine schwere Depression gefallene Mutter nicht so recht in Gang kommen, zumal die parallel verlaufende Nebenhandlung um den pubertierenden Sohn Tommy von Blochs Gefährtin Clara eigentlich eher störend und überfrachtend wirkt. Doch mit zunehmender Laufzeit findet dieses Drama, das eigentlich das Psychogramm einer durch die Geburt ihres Kindes völlig aus jeglichem Halt gerissenen Frau ist und in Birge Schade dabei eine wunderbare Darstellerin hat, immer mehr zum Kern.

Als Pfarrer Meyer (Robert Giggenbach), Pfarrer just jener Gemeinde, in der eingangs fröhlich gesungen und gefeiert wurde, sich auf Blochs Bitte einlässt und auf Sabine Doran zugeht, sie mit auf den Friedhof nimmt, wo sie erstmals an das Grab ihres Kindes geht, da ist dieser Film von einer großen Wahrhaftigkeit und Wucht. Irgendwann, da kniet die Mutter vor dem Grab nieder und verliert im eigenen Erkennen ihren Wahn. Und genau hierum geht es Michael Verhoeven, um das Anerkennen einer Tat, um dieses vermaledeite, schwierige Akzeptieren-Müssen.

„Bloch: Vergeben, nicht vergessen“, ARD, 20 Uhr 15

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