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Fernsehfilm: Wir kämpfen um dich

Eine Liebesgeschichte zum Thema Adoption: In "Die Weisheit der Wolken" geht es um das Verlieren und Finden von Familien.

Von ihm geblieben sind die Lebensjahre, sie sind mit Strichen abgetragen an der Wand am Flur. Wie groß er in welchem Jahr war, steht dort, diese Leiste schaut sich Katrin (Ulrike Krumbiegel) an, während ihr Mann Georg (Axel Prahl) im Flur Kartons schichtet. „Ich habe so Angst, dass er ohne uns leben kann“, sagt sie, und Georg holt noch mehr Kartons, mit chinesischem Feuerwerk für Silvester drin. Die will er verkaufen, seine neueste Geschäftsidee, doch möchte er eigentlich gar keine Geister vertreiben, sondern den Sohn wiederholen.

In „Die Weisheit der Wolken“ geht es um das Verlieren und Finden von Familien. Dabei kommt der Film unter der Regie von Lars Becker als Liebesgeschichte daher. Der 20-jährige Tom (Tobias Schenke), Katrins und Georgs Sohn, stellt der jungen Professorin Marie (Ina Weisse) nach. Er besucht ihre Geophysikvorlesungen, steht nachts vor ihrem Haus. Und sie, die kühle, ehrgeizige Frau, gibt seiner Verfolgung nach, lässt eine Vorlesung ausfallen, um ins Café zu gehen, ist sanft mit ihm, wenn er heftig wird, so als sei er ihr sehr vertraut. Offenbar ahnt sie, was sie mit dem Mann verbindet. Tom ist ihr Sohn, den sie im Alter von 15 Jahren zur Adoption freigegeben hat. Er selbst hat das vor kurzem in einem Streit vom Adoptivvater erfahren. Nun verkehren sich die Rollen, und Marie verfolgt Tom – auf der Spur eines Lebens, das sie geführt haben könnte.

Dass sich der Film auf Marie konzentriert, ist sein Nachteil. Da ist ihr Vater, der Unidekan (Manfred Zapatka), und ihr Freund, ein Antiquar. Mit beiden vertändelt sich die Handlung, auch macht der Film zu oft Ausflüge: in den Plattenladen, in dem Tom arbeitet, oder in die Uni, an der Marie unterrichtet. Beide Welten sind nicht gut getroffen. Weder gehören Sätze wie „Da wird derbe abgehottet“ ins jugendliche Vokabular zur Musikbeschreibung, noch sehen Universitäten in diesem Land wie Highschools aus.

Stärker ist der Film, wenn er Tom und die Adoptiveltern im Bild hat. Zwar ist ihr niedriger sozialer Status unrealistisch im Hinblick auf die Frage, ob ihnen in Deutschland eine Adoption gestattet worden wäre. Ihre Furcht, gegen etwas kämpfen zu müssen, das stärker ist als die Jahre mit Tom, ist jedoch bewegend, auch als sich das Paar mit Marie trifft. Sie hatten sich vorgenommen, die Form zu wahren. Es kommt alles anders. „Du wolltest doch nett zu ihr sein“, sagt Georg. „Ja“, antwortet seine Frau, und ihr Blick fügt hinzu: Was erwartest du? Wenn man mir das Liebste nimmt, dann kämpfe ich eben. Verena Friederike Hasel

„Die Weisheit der Wolken“,

Arte, 21 Uhr

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