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Raabs Runde.

© dpa

Fernsehkritik "Absolute Mehrheit": Raabs politischer Stammtischtalk

Steinbrück und Merkel hätten nichts gegen Stefan Raab als Moderator des TV-Duells zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer. Eigentlich müsste er jetzt nur noch beweisen, dass er auch das Zeug dazu hat. Doch diese Chance hat er am Sonntagabend vertan.

Gleich der erste Witz durfte als kleine Grußbotschaft an Peer Steinbrück verstanden werden. „Eigentlich wollte ich das Thema Pferdefleisch ansprechen, aber ich wollte mich nicht vergaloppieren“, sagte Stefan Raab. Das war mäßig lustig, aber Raabs Art zu zeigen, dass Politik eben doch in eine Unterhaltungssendung passt. Das hatte Steinbrück in der vergangenen Woche – zunächst – ausgeschlossen. Politik sei ein „ernstes Geschäft“, weshalb er von dem Pro-Sieben-Moderator nicht im Rahmen des TV-Duells mit Bundeskanzlerin Angela Merkel befragt werden wolle. Kurz darauf ruderte Steinbrück zurück. Wenn Merkel nichts gegen Raab habe, dann habe er auch nichts gegen ihn. Am Sonntagabend konnte Raab nun beweisen, dass er das Zeug zum Duell-Moderator hat – doch diese Chance hat er vertan.

Zum zweiten Mal hatte Raab zu seiner Show „Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen“ eingeladen, mit der er das Format des Polittalks neu erfinden wollte. Die Show funktioniert so ähnlich wie das RTL-„Dschungelcamp“: Wer die beste Performance abliefert, wird von den Zuschauern per Telefon- und SMS-Abstimmung zum Gewinner gekürt. Nur sind die Gäste keine C-Promis, sondern C-Politiker, sie müssen keine Känguruh-Penisse essen, sondern Fragen zu mehr oder weniger politischen Themen beantworten. Wer es am Ende schafft, die absolute Mehrheit der Stimmen zu erreichen, bekommt Geld. Am Sonntag waren es 200 000 Euro, weil in der ersten Folge im November FDP-Mann Wolfgang Kubicki nicht die absolute Stimmenmehrheit abgeräumt hatte.

Während bei den Talkshows in ARD und ZDF gerne Minister und Parteivorsitzende Platz nehmen, musste sich Raab erneut mit Politikern von den hinteren Bänken begnügen. Oder besser Politikerinnen. Denn dieses Mal war eine reine Frauenrunde zu Gast: Dorothee Bär von der CSU, Katja Dörner von den Grünen, Linda Teuteberg von der FDP und Yvonne Ploetz von der Linken. Ausgerechnet von der SPD war keine Politikerin dabei. Dafür Sänger Olli Schulz, der den Quotenmann und Quotenbürger gab, deshalb aber nicht auf einem„Betroffenheitssofa“ sitzen musste. Die Resonanz der Zuschauer hielt sich im Rahmen. 800 000 Menschen schalteten die Sendung, die bis 0 Uhr 40 lief, ein. Der Marktanteil betrug 5,2 Prozent, bei 14- bis 49-Jährigen 9,1 Prozent.

Um drei Themen sollte es gehen: Die Frauenquote, die Tugendrepublik Deutschland und Wohnungsnot. Drei wichtige Themen. Raab gelang es jedoch nicht, sie so diskutieren zu lassen, dass am Ende etwas dabei herauskam, was als „ernste Politik“ bezeichnet werden kann. Im Gegenteil. Während die Frauen immer wieder versuchten, zurück auf eine politische Ebene zukommen, verharrte Raab auf der populistischen. Das Stammtischthema „Tugendrepublik“ war dafür die beste Vorlage. Ob sie denn Mitleid mitpolitischen Gefallenen hätten, wollte er von seinen Gästen wissen und teilte gleich seine eigene Meinung zu Karl-Theodor zu Guttenberg mit. „Da kommt der aus den USA zurück und hat keine Brille mehr auf. Das war für mich das Schlimmste“, sagte Raab. Für Guttenberg sei die Brille offensichtlich das gewesen, was das Hinken für einen Bettler in der Fußgängerzone ist - Lacher gab es dafür keine, CSU-Politikerin Bär sprach immerhin an, dass solche Beiträge die Diskussion kaum weiter bringen.

Nun könnte man annehmen, dass Raab vielleicht nur provozieren will. Ein solcher Versuch würde auch aufgehen, nur müsste der Moderator dann andererseits beweisen, dass er auch das Gegenteil kann: Substantielles abliefern. Vorgestanzte Politikerstatements entlarven. Aber diese Lieferung blieb Raab den Zuschauern und auch seinen Gästen schuldig. Es sprach von „Leserreportern“, „Plagiatsjägern“, strapazierte Brüderle-Anspielungen wie „Habe ich Ihnen heute schon gesagt, wie fantastisch sie aussehen, Frau Teuteberg?“ und schaffte es nicht, mehr als nur an der Oberfläche eines Themas zu kratzen. Sänger Olli Schulz war da keine Verstärkung: „Bei manchen Leuten muss man einfach warten, bis sie aussterben“, war sein Kommentar zur Brüderle-Debatte und als es um zu hohe Mietpreise ging, schimpfte der Hamburger über den Prenzlauer Berg, wo „alle am Latte-Macchiato-Strich abhängen, Smoothies saufen und dann zum Yoga gehen“, und darüber, dass wir heute „in einer asozialen Marktwirtschaft“ leben.

Sat-1-Politikjournalist, Peter Limbourg, der 2005 und 2009 die Kanzlerduelle mitmoderierte, wollte sich offensichtlich nicht auf die Rolle des Stimmenauszählers reduzieren lassen und musste auch noch seinen Meinung kundtun. „Wir sollten mehr auf Taten gucken und nicht darauf, ob Politiker einer Frau abends in der Bar aufs Dekolleté schauen. Ich bin dafür, dass man sich wieder mehr auf Inhalte konzentriert.“ Besser hätte es Brüderle auch nicht sagen können.

Am Ende bekam FDP-Politikerin Teuteberg die meisten Zuschauerstimmen, vor CSUlerin Dorothee Bär und der Linken Yvonne Ploetz. Die absolute Mehrheit räumte aber auch sie nicht ab. „Ich hoffe, dass sie den ein oder anderen Denkanstoß bekommen haben“, verabschiedete sich Raab von den Zuschauern – allerdings, jedoch wohl kaum in einer von Raabgewünschten Weise. Vielmehr gab Raab einen Denkanstoß dazu, ob er tatsächlich als Moderator TV-Duells geeignet ist. Ende März läuft die nächste Folge von „Absolute Mehrheit“, da hat Raab erneut die Chance zu beweisen, dass er es kann.

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