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Letzter Akt im Scheidungsdrama. Nach der Trennung von ihrem Ex-Mann findet Frances (Sarah Jessica Parker) in Henry (James Lesure) einen liebevollen Freund.

© HBO

Finale Staffel von „Divorce“: Mein widerlicher Waschsalon

Auch in der dritten und letzten Staffel von „Divorce“ zeigt uns das Ensemble um Sarah Jessica Parker, wie oberflächlich die Spießerhölle USA sein kann.

Der wunderbare Waschsalon ist eigentlich nicht mehr als ein schöner Wunschtraum findiger Marketingstrategen. Seit sich das wohlgeformte Unterwäschemodell Nick Kamen dort 1985 von heiterem Fifties-Sound unterlegt werbewirksam seiner Levis entledigt hatte, gelten Reinigungscenter als Orte einer Geselligkeit, die sich kurz darauf auch in Stephen Frears legendärem Coming-Out-Drama „My Beautiful Laundrette“ wiederspiegelte. Gesellig könnte es dort also auch zugehen, wenn die wohlgeformte Frances von heiterem Sixties-Soul unterlegt in die rotierende Waschtrommel blickt und dazu sanft lächelt. Könnte.

Denn tatsächlich ist der Ort, an den Frau Dufresne ihre Hausarbeit verlagert, exakt so öde wie Waschsalons nun mal sind und damit sogar noch öder als ihr gegenwärtiges Dasein insgesamt. Das zeigt sich bereits wenige Sekunden nach dem Schleudern, als sie einen Sack sauberer Kleidung missmutig durchs regennasse New York in die Leere ihres Appartements schleppt, wo die abgebrannte Kunstgaleristin nebenbei auch noch ihre Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt verarbeiten muss. Von wegen liberal, von wegen gesellig, von wegen wunderbar – in Frances Leben regiert klar ersichtlich Einsamkeit, gepaart mit Tristesse und wachsender Verzweiflung, als sie vom freudlosen Waschsalon aus in die dritte Staffel einer bemerkenswerten Fernsehserie startet.

Sarah Jessica Parker in einer Scheinidylle

Sie heißt „Divorce“, zu Deutsch: Scheidung. In der befindet sich die zweifache Mutter nun zum letzten Mal. Und weil das HBO-Format den unendlichen Trennungsprozess der Eheleute Defrasne abermals auskostet als wäre es die achtgängige Henkersmahlzeit eines abgehalfterten Dreisternekochs, ist auch das Finale ungemein appetitlich. Formell mag die titelgebende Scheidung längst vollzogen sein; emotional vegetiert Frances weiterhin im Trümmerfeld einer zerstörten Scheinidylle, aus der auch ihr Exmann Robert nur schwer verwundet entkommen ist. Dass er parallel zum deprimierenden Waschausflug seiner Exfrau ein Ultraschallbild im Bauch seiner Verlobten bewundert, ist nur Ablenkungsmanöver.

Das kriechende Ende eines jahrzehntelangen, fast ebenso lange jedoch eher ver- als erfüllten Bundes fürs Leben, zieht also alle Beteiligten an den Abgrund routinierter Gewohnheiten. Wie in den ersten zwei Staffeln entspinnt sich zwischen männlicher Sprachlosigkeit, weiblichem Redefluss und kindlicher Wut auch diesmal ein virtuos inszenierter Balanceakt kommunikativer Missverständnisse. Und erneut verkörpert ihn das Ensemble mit bewundernswert abgebrühter Spielfreude. Ganz besonders Sarah Jessica Parker. Anders als in ihrer Konsumgörenfreakshow „Sex and the City“ ist der anorektische Lifestyle-Fetisch von Frances nämlich nicht affektiert, sondern Ausdruck der inneren und äußeren Verkarstung des amerikanischen Wohlstandsspießers, den HBO hier weit mehr in den Mittelpunkt stellt als alle Beziehungsprobleme zusammen.

Thomas Hayden Church glaubhaft unattraktiv

Schein und Sein, Authentizität und Blendwerk gehen auf dieser schrankwandmöblierten Oberfläche so nahtlos ineinander über, dass Männer wie Sarah Jessica Parkers Seriengatte (Thomas Hayden Church) glaubhaft unattraktiv, alt, unfähig zur transparenten Gesprächskultur sein können und sich dennoch kaum weniger glaubhaft blutjunge Schönheiten wie die 18 Jahre jüngere Becki Newton als Roberts Neue Jackie angeln. Und diese Unwucht im Paarverhalten saturierter Großstadtgewächse nicht als komödiantisches Eye-Candy auszuschlachten, ist dabei vor allem das Verdienst von Serienschöpferin Sherry Horgan. Dank ihrer stets präzisen, nie voyeuristischen, selten plakativen Charakterzeichnung wirkt jede Figur in ihrer Verlorenheit geborgen und lehrt uns somit mehr übers Bildungsbürgertum made in USA als jede Doku.

Wäre ein gemeinsames Dinner stressig geschiedener Expartner allenfalls satirisch denkbar, wirkt das komplett unvereinbare Quartett in der harmoniesüchtigen Spießerhölle von „Divorce“ daher geradezu unvermeidlich. Am Ende sind es Fremdschammomente wie dieser, in denen die Serie ihren Sog entfaltet. Im widerlichen Waschsalon der Gefühle.

„Divorce“, Sky Atlantic, ab Dienstag in Doppelfolgen

Jan Freitag

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