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Medien: Flirten, Küssen und mehr

In der RBB-Reihe „Legendäre Urlaubsorte“ wird an DDR-Ferienlager erinnert

In der DDR machten Millionen von Kindern Urlaub in Ferienlagern. Viel frische Luft, Wanderungen, Spiele, Gemeinschaftserlebnisse – mehr brauchte es eigentlich kaum. Die Kinder und Jugendlichen haben es genossen, und die nun erwachsen Gewordenen erzählen in diesem Film mit sichtlichem Spaß von Streichen und heimlichen Freuden, von ersten Lieben und vom Über-die-Stränge-Schlagen. Filmaufnahmen aus den Ferienlagern sind charmant dazu montiert.

Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg öffneten die ersten Kinderferienlager. Einige Propaganda-Aufnahmen wecken heute unangenehme Assoziationen: Da rennen nur mit Turnhosen bekleidete Jungen freudig über Wiesen, Stock und Stein, grüßen zackig ihre Anführer, und es sieht genauso aus wie früher bei der Hitlerjugend. Dies bleiben allerdings die einzigen bildlichen Parallelen. Der Plan, die sozialistische Erziehung der Jugend auch im Urlaub fortzusetzen, ging nicht auf, sagt die Filmautorin Katja Herr.

Kinderferienlager gehörten von Anfang an zu den in der DDR offiziell geförderten Unternehmungen. Finanziert über den „Freien Deutschen Gewerkschaftsbund“ (FDGB), wurden sie vielfach von großen volkseigenen Betrieben getragen. Dagmar Guth, damals Wirtschaftsleiterin: „Wenn es hieß ‚Kinder’, war immer alles da – da haben sie viel Wert drauf gelegt.“ Und trotzdem fehlte es, natürlich, an vielem: Süßigkeiten, Obst, was Kinder eben so brauchen. Improvisation war gefragt, die berühmte Tauschwirtschaft: „Geben, nehmen, kennen und mauscheln, anders kann man es nicht sagen.“ Die Kinder und Jugendlichen haben nicht groß was vermisst, sie waren mit ihren Geländespielen beschäftigt, mit Baden und Basteln, Singen und Tanzen, Nachtwanderungen und natürlich mit den ersten Gefühlen des Verliebtseins.

Gefallen hat das auch etlichen tausend Kindern aus der kapitalistischen BRD. Bis in die achtziger Jahre hinein schickten meist der DKP nahe stehende Familien ihre Kinder in DDR-Ferienlager. Die hätten anfangs meist „undiszipliniert herumgestanden oder -gelegen“, erinnert sich Norbert Schaaf, damals Gruppenleiter. „Ein Sauhaufen.“ Aber sie hätten sich angepasst: „Nach einiger Zeit haben die BRD-Kinder strammer gestanden als die DDR-Kinder.“

Wie das so kam, hätte uns schon interessiert. Heimweh hat angeblich kaum einer gehabt, damals. Und wenn doch, dann hatte man ja Möglichkeiten, damit umzugehen. Manfred Drumm, viele Jahre lang Lagerleiter, schickte manchmal Postkarten verzweifelter Kinder nicht ab, sondern wartete, bis sich das Heimweh gelegt hatte. Im Interesse des Kindes und seiner Familie. Katja Herr bezweifelt, ob das immer richtig war.

Wirklich politische, sozialistische Werte wurden, so der Tenor dieser Dokumentation, nicht nennenswert vermittelt. Wie sollte das auch gehen bei so vielen Kindern und so wenig politisch geschulten Erziehern. Ferienlager in der DDR, das waren zwar vielfältige Aktivitäten, aber es gab auch Freiräume. Legendär die Discos, die hier organisiert wurden, mit Küssen, Flirten und manchmal auch mehr. „Fröhlich sein und singen“ ist ein Film, den viele, die in DDR-Ferienlagern waren, mit großem Spaß sehen werden und für uns Wessis eine grandiose Gelegenheit, etwas vom Jugendgefühl der Ostdeutschen zu erspüren.

„Fröhlich sein und singen“: RBB-Reihe „Legendäre Urlaubsorte“, Donnerstag, 20 Uhr 15

Eckart Lottmann

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