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© dpa

Franz Alt: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit

Sein "ökologisches Damaskus" war die Katastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986. Seitdem fordert er die völlige Wende zu erneuerbaren Energien. Fernsehen steht inzwischen an zweiter Stelle: Ex-"Report"-Moderator Franz Alt wird 70.

An diesem Donnerstag arbeitet Franz Alt nicht. Er schreibt nicht an einem neuen Buch, und er ist auch nicht rund um den Globus unterwegs, um Vorträge zu halten, wie sonst an mehr als 200 Tagen im Jahr. Am 17. Juli gönnt sich der Ex-Fernsehmoderator eine Pause. Schließlich wird er 70 Jahre alt. Das gilt es zu genießen, und so wandert er mit der Familie in den österreichischen Bergen. „Ich denke auch an Angela Merkel, die am selben Tag Geburtstag hat“, sagt er dem Tagesspiegel.

Wie lange wird er es aushalten, ohne sich mit seinem Lieblingsthema zu beschäftigen, der Wende von fossilen Brennstoffen und Kernkraft zu erneuerbaren Energien? Sieht er sich selbst als den „nimmermüden Kämpfer für eine bessere Welt“, wie es sein Haussender, der Südwestrundfunk, in seinem Glückwunsch formulierte? „Entschuldigen Sie, ich bin gerade in meinem Wintergarten, der Empfang ist hier nicht so gut“, sagt der ökologische Visionär. Alts Wintergarten in Baden-Baden trotzt also dem Handyzeitalter. Dafür ist er voller subtropischer Pflanzen und dank seiner Gläser ein Energiegewinn für das mit Sonnenstrom versorgte Haus der Familie Alt.

Ja, er sei „ein Kämpfer“, sagt Alt, als die Verbindung wieder besser wird. Und müde sei er noch lange nicht. Gerade jetzt sieht er sich gefragt, jetzt, da Energiekonzerne und Politiker vorpreschen, um die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern. Das hält er für Wahnsinn, man brauche doch nur an terroristische Anschläge zu denken, die Millionen Menschen gefährden würden. Auf einen Windpark wird es keinen Anschlag geben, sagt Alt.

Sein „ökologisches Damaskus“ war die Katastrophe von Tschernobyl im Jahre 1986. Seitdem fordert er die völlige Wende zu erneuerbaren Energien. Zwar freut er sich, dass diese schon einen Anteil von 15 Prozent haben. Das reicht ihm aber bei weitem nicht. „Deutschland muss vollkommen erneuerbar werden“, sagt Alt. Es amüsiert ihn, dass er in jüngster Zeit von allen großen Energieunternehmen zu Vorträgen eingeladen worden sei. Klare Worte werden anscheinend geschätzt. Und daran hat es der im badischen Untergrombach geborene Sohn eines Maurermeisters nie mangeln lassen.

Nicht gegenüber der CDU, die er 1988 wegen ihrer „mangelnden ökologischen Sensibilität“ verlassen hat. Und auch im Fernsehen redete der damalige Chef des Politmagazins „Report Baden-Baden“ Klartext. Ob Radikalenerlass, Verbrechen der Wehrmacht oder illegale Waffengeschäfte – mit seinen Themen erregte er immer wieder Aufsehen. Die Sendung wurde zum erfolgreichsten Monatsmagazin. Trotz vieler Auszeichnungen, darunter 1979 der Adolf-Grimme-Preis und 1980 die „Goldene Kamera“, blieb Ärger mit dem Sender nicht aus. 1983 sollte Alt „wegen starker Parteinahme für die Friedensbewegung“ von der Moderation entbunden werden, vier Jahre später wurde er abgemahnt. Nach der 230. „Report“-Sendung verließ Alt 1991 den damaligen Südwestfunk, moderierte dann noch bis 2003 die ARD-Sendereihe „Zeitsprung“ sowie „Querdenker“ und „Grenzenlos“ auf 3sat.

Den heutigen politischen Fernsehmagazinen attestiert Alt, nach wie vor „gute journalistische Arbeit“ zu leisten, „investigativ und meinungsfreudig“ zu sein. Seine Kritik richtet sich an die „Obrigkeiten“, die die Sendungen um ein Drittel gekürzt und zeitlich nach hinten geschoben hätten. Dies solle rückgängig gemacht werden, fordert der frühere Moderator. Er klingt gelassen, das Fernsehen scheint gegenüber dem Schreiben – er ist nach eigenen Angaben Autor bei 40 Zeitungen und verfasst jedes Jahr ein Buch – an Stellenwert verloren zu haben.

Vielleicht hat ihn auch die mittlerweile 25-jährige „tiefe Freundschaft“ zum Dalai Lama gelassener werden lassen. An ihm bewundert er „das unbeirrbare Festhalten an einer Politik der Gewaltfreiheit, die Sorge um die Bewahrung der Schöpfung, seinen Humor und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden“. Sicherlich aber verbindet die beiden Männer, den geistigen Führer der Tibeter und den Propheten des Solarzeitalters, auch die Umtriebigkeit und die Reiselust. So bleibt Franz Alt kaum Zeit für sein Hobby, die Zauberei, mit der er sich einst Geld fürs Studium verdient hatte. „Vielleicht zaubere ich zu meinem 100. Geburtstag wieder“, sagt Alt. Bis dahin will er dafür kämpfen, dass „Deutschland zu 100 Prozent erneuerbar wird, aber auch Europa und die ganze Welt. Dafür bin ich unterwegs“.

Paul Janositz

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