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Medien: Frau Holze-Stäblein schlägt das Gebetbuch zu

Die ARD wechselt die „Wort zum Sonntag“-Sprecher aus, auch ihre meist beschäftigte Kraft

Ein Satz, der von Pfarrer Jürgen Fliege stammen könnte: „Das Fernsehen ist Gott geworden.“ Aber er stammt von Oda-Gebbine Holze-Stäblein, 60, Pastorin und Landessuperintendentin von Ostfriesland, und sie erklärt auch gleich, was sie damit meint: Das Fernsehen sei „eine Instanz, an der keiner vorbei kann“. Die Kirche hat nur noch wenige Enklaven im Fernsehen. Die kleinste, aber aufmerksamkeitsstärkste ist das „Wort zum Sonntag“, und da ist Oda-Gebbine Holze-Stäblein die wichtigste Kraft. Zwischen 1989 und 1996 sowie erneut ab 1999 hat sie 56 „Worte zum Sonntag“ im Ersten gesprochen. Hintereinander gesendet, hieße das: ein ganzes Jahr lang jeden Samstagabend Oda-Gebbine Holze-Stäblein. In ihrer spröden norddeutschen Art sollte sie im Sprecher-Spektrum nach eigenen Worten die Farbe „gestandene Frau mit Lebenserfahrung“ abdecken. Im Mai hat sie ihre beiden letzten Auftritte. Dann „reicht es aber auch“, sagt sie. Vier neue Sprecher kommen.

Beim „Wort zum Sonntag“ sind Fernsehkritiker versucht, eine leicht ironisch-witzelnde Haltung anzunehmen. Diese steifen, vor Betroffenheit strotzenden Vorträge! Dieses bemühte Bilder-Ringen um modernes Aussehen! Und schaut da nicht nur deshalb überhaupt jemand hin, weil vorher die „Tagesthemen“ und danach ein Spielfilm gesendet werden? Hieß es nicht schon früher: „Das Wort zum Bierholen“? Die Essenz der Medienforscher klingt verklausulierter, aber im Endeffekt ähnlich: Die Einschaltquote ist demnach vor allem vom Programmumfeld abhängig. Mag das „Wort zum Sonntag“ nach einer Reform vor vier Jahren, bei der die Zahl der Sprecher drastisch reduziert wurde, auch professioneller geworden sein: Es spielt bei der Akzeptanz beim Publikum keine Rolle, ob die Sprecher stur vom Pult predigen oder sich in die Landschaft stellen und sogar kurze Reportagen präsentieren. Wenigstens etwas: Das „Wort zum Sonntag“ bildet „kein Quotenloch“. So wird die Tatsache, dass die Zuschauerzahlen zuweilen beim Spielfilm noch tiefer sinken, schon als eigener Erfolg verklärt.

Andererseits: Immerhin lassen durchschnittlich 1,8 Millionen Menschen das Erste eingeschaltet. Die Hälfte das Publikums ist evangelisch, ein Drittel katholisch, der Rest konfessionslos. „Das Wort zum Sonntag“ versteht sich nicht als Missionswerk. Religion habe hier die Funktion einer „produktiven Unterbrechung“, erklärt David Hober, Medienreferent bei der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Und wann wäre das dem Fernsehen mehr zu wünschen als in diesen Zeiten? Doch prompt rutschte „Das Wort zum Sonntag“ bereits zweimal spät in die Nacht hinein. Im Kriegstaumel wird man nicht so gerne unterbrochen.

1989 sprach Oda-Gebbine Holze-Stäblein bereits über den Kriegsbeginn vor 50 Jahren und dann vor zwölf Jahren über den letzten Golfkrieg. Sie erinnert sich: „Noch 38 Tage, dann fängt der Krieg an.“ So habe ihr „Wort zum Sonntag“ damals begonnen. Der Countdown, diese Inszenierung des Krieges, habe es damals genauso gegeben. Und dann 1999, der Kosovokrieg. Sie vertrat die Ansicht, dass das militärische Eingreifen angesichts der Flüchtlingsströme gerechtfertigt sei. „Da habe ich die ganzen Friedensfreunde am Hals gehabt, das war ganz schön heftig.“ Die meisten Reaktionen löste sie allerdings 1991 beim Thema § 218 aus. Sie habe damals „die Grundproblematik der Frauen stärker in den Blick genommen“ und sinngemäß erklärt: „Ich glaube, dass Gott die Schuld mit ihnen trägt und sich nicht abwendet.“ Christliche Abtreibungsgegner nahmen ihr das mächtig übel. „Da ging’s aber wirklich rund“, sagt sie.

Nur selten fällt die Pastorin aus ihrer abwägenden Sprechweise heraus. Noch mal, als sie den „Hickhack unter den Landeskirchen“ bei der Vorauswahl der Sprecher und Sprecherinnen beschreibt – vor der „Wort-zum- Sonntag“-Reform. Da wollte keine Landeskirche zu kurz kommen, und es habe „Kämpfe gegeben, das war grauenvoll“. Und manches stört sie noch heute: dass die Sprecher verstärkt aktuell arbeiten müssen und deshalb, wie sie selbst beim Concorde-Unglück, nun häufiger das „Wort zur Katastrophe“ sprechen. Das habe zu einer „gewissen Einseitigkeit“ geführt, klagt sie. Nach der Hiobsbotschaft vom Absturz des Überschallflugzeugs erzählte sie dem Publikum die Bibel-Geschichte des vom Schicksal schwer geprüften Hiob, dessen Freunde eine Woche lang stummen Trauer-Beistand leisteten.

Die vier Minuten „Wort zum Sonntag“, die sie spricht, seien „nicht mehr als Zwischenrufe. Wir sollten uns da nicht überschätzen.“ Doch der eigene Anspruch ist groß: Oda-Gebbine Holze-Stäblein will im Fernsehen auch Seelsorgerin sein, aber dabei im Gegensatz zu den immer zahlreicheren Lebenshilfe- Sendungen, inklusive der von Jürgen Fliege, „explizit christlichen Glauben deutlich machen“. Dass konservative Christen buchstäblich zählen, wie oft in den Beiträgen das Wort „Gott“ vorkommt, findet sie allerdings „etwas unwürdig“.

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