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© dpa

Frauenzeitschriften: ''Tussis sind smart''

20 Jahre "Elle": Beate Wedekinds spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über ihren Ärger über Frauenzeitschriften, die nur noch durchgeblättert sein wollen.

Frau Wedekind, lesen Sie noch Frauenzeitschriften?

Ich lese keine Frauenzeitschriften, ich blättere sie durch, erfreue mich an dem schönen Schein und daran, dass Models, die ich kannte, als sie 18 waren und ich Chefredakteurin, mit 38 Jahren immer noch im Geschäft sind und heute besser aussehen als damals. Claudia Schiffer zum Beispiel, die eine echt gute Frau geworden ist. Und Karl Lagerfeld, der bei „Elle“ mit einer Fotoausstellung debütierte, ist nach wie vor der Größte.

Wann haben Sie aufgehört, Frauenzeitschriften zu lesen?

Vor zehn, zwölf Jahren habe ich mal Tabula rasa gemacht, weil ich als Medienjunkie jeden Monat irrsinnig viel Geld für Zeitschriften hingeblättert habe. Da habe ich dann all die weggelassen, in denen ich einfach nichts mehr entdecken konnte, was mich als älter gewordene Frau interessieren könnte. Und da waren viele deutsche Frauenzeitschriften dabei.

„Elle“ wird in diesen Tagen 20 Jahre alt. Sie waren die erste Chefredakteurin des Blattes. Feiern Sie mit?

Ich finde es bemerkenswert, dass es „Elle“ immer noch gibt, Konkurrenzblätter von damals, „Viva“ und „Marie Claire“ zum Beispiel, wurden ja bald wieder vom Markt genommen. „Elle“ aber war aus dem Stand erfolgreich. Die heute verkaufte Auflage von monatlich 220 000 Exemplaren ist auch kein Pappenstiel.

Was hat „Elle“ besser gemacht als die anderen?

Hubert Burda hat 1988 mit „Elle“ eine schon etablierte Marke nach Deutschland geholt. Das war ein extrem kluger Schachzug. Wir konnten auf ein weltweit erfolgreiches Konzept aufbauen. „Elle“ war damals eine der interessantesten Zeitschriften für Frauen der Welt. Es ging nicht nur um Mode, es ging um alles. Lifestyle hatte damals noch etwas mit dem ganzen Leben von Frauen zu tun, nicht nur mit Mode und Beauty.

Und wie sieht es heute aus?

Der Markt hat sich fundamental geändert und „Elle“ mit ihm. „Elle“ ist für mich keine Frauenzeitschrift mehr, sondern ein Modemagazin wie „Vogue“ oder „Instyle“, „Amica“ oder „Madame“.

Wo liegt denn da der Unterschied?

Für mich sollte eine Zeitschrift für Frauen auch auf das Herz ihrer Leserinnen zielen, nicht in erster Linie auf ihr Portemonnaie. Konsum ist nicht alles.

Eine unglaublich altmodische Ansicht.

Kann schon sein. Aber ich kenne viele Frauen, die genauso altmodisch sind wie ich. Wenn es eine Zeitschrift wie „Neon“ für Frauen meines Alters gäbe, dann wäre ich dabei. Gibt es aber nicht. Ich finde es grausam, dass sich die Zeitschriften heute kaum noch voneinander unterscheiden. Dieselben Klamotten, dieselben Fotografen, dieselben „People Stories“. People ist für mich: alles über einen Kamm scheren. Wo bleibt die Persönlichkeit der Blätter? Blättern Sie mal durch, Sie werden erschüttert sein.

Sind wir auch, wir sehen nur Modemainstream für Tussis.

Tussis sind klasse, die überhöhen das alles, klauen Ideen aus den Modemagazinen, machen sie schrill. Tussis pellen sich ein Ei auf Konventionen. Tussis sind smart und gerne auch über 50.

Modezeitschriften sind doch zuallererst Modezeitschriften. Und keine kritischen Magazine.

Richtig. Ich habe nichts gegen Mode und Beauty, das sind angenehme Begleiterscheinungen für die Aufhübschung des Lebens. Ich finde aber, dass die Leserinnen mehr verdienen als ein Branchenblatt. Modische Frauen sind so viel spannender, als sie dargestellt werden.

Und trotzdem kauft die moderne Frau von heute alle diese Zeitschriften.

Das ist wohl so. Und deshalb haben alle diese Zeitschriften ihre Daseinsberechtigung. Sie befriedigen Bedürfnisse. Aber meine sind mit den Jahren gewachsen.

Sind die Frauenzeitschriften, die Sie Modemagazine nennen, inhaltlich stehen geblieben?

Ich würde sagen: Sie haben sich inhaltlich reduziert. Auf das Äußerliche. Vielleicht bin ich auch nur dem schönen Schein entwachsen.

War das anders, als Sie 1988 Chefin von „Elle“ wurden?

Als Gloria von Thurn und Taxis für unsere erste Ausgabe ihren Kleiderschrank öffnete, da war das zum allerersten Mal, dass jemand im Schloss fotografieren durfte. Wir hatten einen richtig guten Kulturteil und zeigten in der Tradition der französischen „Elle“ auch politisch Flagge. Und „Elle“ war die erste Zeitschrift in Deutschland, in der hervorragende Autorinnen aus der ehemaligen DDR schreiben konnten.

In der letzten „Elle“ geht es auf 53 Seiten um Männer. Hätten Sie so etwas auch gemacht?

Ich fände es super, wenn Männer immer 53 Seiten hätten. Aber ja, wir haben sogar ganze Hefte nur den Männern gewidmet, wir haben schon 1989 als Erste einen Mann auf den Titel einer Frauenzeitschrift gehoben. Einmal im Jahr sind Männer einfach dran, es geht ja auch um Anzeigenkunden, die man erreichen will und muss.

Wenn es eine Zeitschrift für Sie gäbe, was müsste drinstehen?

Mich würde zum Beispiel jetzt ganz aktuell interessieren, wie es den Witwen der beiden toten israelischen Soldaten ergeht. Oder eine Reportage über Frauen hier bei uns, die seit Jahren nichts von ihren Söhnen gehört haben. Oder eine Reportage über Tel Aviv, in der es nicht nur um die hippen Hotels und Strände geht. Mich interessiert das Außergewöhnliche ebenso wie der Alltag.

Warum gründen Sie nicht eine eigene Zeitschrift?

Sie werden lachen, es wäre fast so weit gekommen. Das war 2006. Es war alles fertig entwickelt, das erste Heft lag vor, alle waren begeistert, auch Marktforschung und Vorstand, das Team stand parat. Aber dann setzte der Verlag auf Fernsehen und auf digitale Medien, die Neugründung einer Zeitschrift passte nicht mehr ins Programm des Axel-Springer-Verlags. Damit war das Projekt tot.

Wollen Sie nicht zur Feier des Tages eine kleine Grußadresse an Ihre ehemaligen Kolleginnen von „Elle“ loswerden?

Sie sollen ihren Erfolg feiern und fröhlich sein.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Beate Wedekind,
57, war die erste Chefredakteurin der deutschen „Elle“. Sie leitete die Zeitschrift von 1988 bis 1993. Heute arbeitet sie als Fernsehproduzentin und Autorin.

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