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Fred-Vargas-Verfilmung: „Ich bin seltsam“

Eigentlich ist Schauspielerin Charlotte Rampling vor allem im Kino zu sehen, doch jetzt stand sie fürs ZDF vor der Kamera. Ein Gespräch über ihre dunklen Seiten, ihr Bett und warum síe täglich ans Aufhören denkt.

Als Tochter des britischen Offiziers Godfrey Rampling wird Charlotte Rampling 1946 in Sturmer, England geboren. Sie arbeitet zunächst als Model, wird dann Schauspielerin. Aufsehen erregt sie in Luchino Viscontis Politdrama „Die Verdammten“ und in Liliana Cavanis umstrittenem „Der Nachtportier“. Auch Woody Allen wird auf Rampling aufmerksam und dreht mit ihr 1980 „Stardust Memories“. Für ihre Rolle in Francois Ozons „Unter dem Sand“ wird Rampling unter anderem für den Europäischen Filmpreis nominiert, den sie aber erst 2003 für ihre Rolle in Ozons „Swimming Pool“ gewinnt. Rampling spielt auch Theater und singt. Zuletzt war sie 2008 mit „Die Herzogin“ im Kino zu sehen. sop

Frau Rampling, Sie spielen in der Verfilmung des Fred-Vargas-Krimis „Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord“ eine Spezialistin für Zufälle. Mögen Sie Unvorhergesehenes?

Ja, ich lebe ein Großteil meines Lebens so, dass ich nichts erwarte und nicht viel plane. Ich versuche nicht, Dinge zu kontrollieren. Das entspricht nicht meiner Natur und ist mir zu langweilig. Dinge passieren mir einfach.

Was ist Ihnen zuletzt Schönes passiert?

Erst heute Morgen hat mir jemand Fremdes unerwartet ein Lächeln schenkt. Solche kleine Begegnungen sind nett.

Dass Sie im Vargas-Krimi die Rolle der Mathilde Forestier übernommen haben, ist aber kein Zufall?

Nein, die Regisseurin Josée Dayan wollte schon lange mit mir zusammenarbeiten, aber wir haben nie das passende Projekt gefunden – bis sie mir die Rolle der Fotografin Mathilde Forestier anbot. Ich habe sofort gesagt: „Das ist es!“ Denn Mathilde könnte genauso gut ich sein.

Warum?

Sie ist eher zurückhaltend, wirkt aber trotzdem sehr präsent, sie hat einen guten Sinn für Humor und ein gutes Auge. Genau wie ich liebt sie es, sich zu tarnen, nicht im Licht, sondern im Schatten zu stehen und sich einfach davonschleichen zu können.

Aber als weltweit bekannter Filmstar bleiben Sie selten unerkannt.

Doch, denn ich bin ja kein großer Hollywood-Star, der eine ganze Entourage von Bodyguards um sich hat. In meinem Viertel Saint-Germain in Paris wohnen außerdem einige bekannte Persönlichkeiten, so dass die Leute nicht ständig auf der Straße stehen bleiben. Das ist gut, denn ich will die Leute beobachten können, ohne dass sie mich beobachten.

Gehen Sie dafür viel aus?

Ich suche nicht die großen gesellschaftlichen Auftritte. Ich arbeite komplett anders: nicht von außen nach innen, sondern von innen heraus. Da liegt meine Stärke. Deshalb ist es für mich sehr ermüdend, auszugehen. Ich verstehe auch all diese gesellschaftlichen Umgangsformen nicht – aber ich beherrsche sie natürlich, weil ich eine gute Schauspielerin bin.

Normalerweise zeigen Sie das auf der großen Leinwand, was reizt Sie an einer Fernsehverfilmung wie jetzt fürs ZDF?

Ich arbeite lieber fürs Kino, aber manchmal, so wie bei der Verfilmung der Fred-Vargas-Bücher, sind Themen besser fürs Fernsehen geeignet. Sie wirken besser auf einem kleinen Bildschirm, man kann mehr in die Tiefe gehen, weil man mehr Zeit hat und deshalb mehr entwickeln kann. Aber es kommt eben immer aufs Thema an.

Zu Beginn Ihrer Karriere haben sie in oberflächlichen Komödien mitgespielt, seit der Zusammenarbeit mit Visconti gelten Sie als Spezialistin für komplizierte Frauenrollen. Was zieht Sie an solchen Rollen an?

Ich suche mir meine Rolle nicht nach speziellen Kriterien aus, sondern danach, ob sie mich faszinieren. Die Charaktere müssen mich hypnotisieren. Und weil meine innere Welt eher seltsam, dunkel und durcheinander ist, bin ich auf eine kreative Art an solchen Rollen interessiert.

Schauspielerei ist ein Weg für Sie, sich innerlich zu ordnen?

Nein, ich weiß nur, dass da etwas in mir drin ist, doch es beeinflusst mich nicht in meinem täglichen Leben. Es hat nur etwas mit meiner kreativen Seite zu tun.

Hier in Frankreich werden Sie „die Legende“ genannt. Sie sind jetzt 63, warum ruhen Sie sich nicht auf dem Titel aus?

Ach, das ist nur ein schmeichelhafter Titel, den sich mal jemand ausgedacht hat. Natürlich mag ich ihn, wer würde das nicht? Aber wenn ich jetzt aufhören würde, hätte ich ein kleines Problem: was sollte ich sonst mit meinem Leben anstellen? Das Leben ist lang und deshalb muss man sich immer wieder erfinden.

Wissen Sie, wie lange Sie noch weitermachen wollen?

Nein, das muss ich mich jeden Tag aufs Neue fragen.

Und eines Tages sagen Sie: „Das war’s.“?

Eines Tages falle ich tot um.

Das dauert hoffentlich noch. Haben Sie in dieser Zeit keine Angst, ihren Titel als „Legende“ zu verspielen?

Wenn ich jetzt aufhören würde, wäre ich wirklich für immer die Legende. Das wäre perfekt. Natürlich ist es ein Risiko, weiterzumachen.

Und Sie lieben riskante Spiele?

Ja, ich habe fast mein ganzes Leben lang gespielt, nehme gerne Risiken auf mich.

Welches große Risiko sind Sie denn zuletzt eingegangen?

Vermutlich, in ein Flugzeug zu steigen. Oder eine Szene in einem Film zu drehen. Das Fatale am Älterwerden ist ja, dass man weiß, welche Konsequenzen Dinge haben können. Man hat Erfahrungen gemacht, aus denen man gelernt und vielleicht sogar eine gewisse Weisheit und Klarheit gewonnen hat. Deshalb fragt man sich immer wieder aufs Neue: Will ich das wirklich noch mal erleben?

Und Ihre Antwort lautet am Ende trotzdem immer wieder ja?

Natürlich könnte ich aufhören, ruhig werden, Bücher lesen, Charity machen und ab und an Leute treffen. Oder ich fordere mich eben immer wieder neu heraus.

Woher kommt Ihr innerer Drang, weitermachen zu müssen?

Ich habe eine Energie in mir, die es mir von Zeit zu Zeit unmöglich macht, nicht auf meine Bedenken zu hören. Dann denke ich zwar: Oh nein, jetzt muss ich all das wieder durchstehen, in all diese Flugzeuge steigen. Dabei liebe ich mein Bett, meine Katze und meinen Mann.

Sie haben einen kleinen Teufel und einen kleinen Engel auf den Schultern sitzen, und am Ende setzt sich der Teufel durch?

Ja, man könnte es auch mit dem Ying und dem Yang vergleichen. Wir brauchen in unserem Leben beide, den Engel und den Teufel. Es sind nur wenige Momente, in denen alles harmonisch ist, man sich gut und stark fühlt. Und plötzlich fühlt man sich wieder angetrieben und in seinem Kokon bedroht.

Befinden Sie sich gerade in einem Kokon?

Nein, überhaupt nicht. Ich fühle mich gerade sehr unsicher. Um mich herum ist viel in Bewegung, es stehen viele Entscheidungen an. Ich glaube, es ist nur menschlich, dass man immer nach einem sicheren Platz sucht.

Fühlen Sie sich sicher, wenn Sie einen Film abgedreht haben?

Ja, das Gefühl nach einem Film ist immer schön. Wenn man nicht direkt mit einem neuen Projekt beginnt oder darüber entscheidet, was man als Nächstes tun will, ist es auch ein wenig ein Gefühl der Leere. Ich mag diese Momente, weil man sich selbst wieder neu aufbauen kann.

Glauben Sie, dass es für junge Schauspieler heute überhaupt noch möglich ist, einen Status als Legende zu erreichen?

Der Prozess ist heute ein anderer. Die Leute werden ebenso schnell zu Berühmtheiten aufgebaut, wie sie dann wieder verbrannt werden. Ich selbst bin überrascht, dass ich immer noch hier bin, Interviews gebe und angefragt werde. Aber warum sollte das dann anderen nicht auch gelingen? Wir sollten nicht zu pessimistisch sein, denn die Menschen wollen Stars, Idole und Legenden.

Wenn Sie sich selbst als gute Schauspielerin sehen, warum sind Sie dann überrascht, immer noch gefragt zu sein?

Ich gehe nun mal nicht raus und frage nach Angeboten, sondern warte, bis die Angebote zu mir kommen – was wiederum eine Herausforderung ist. Aber ich habe keine Lust, zu Produzenten zu gehen und zu sagen: „Komm, nutze mich.“ Dafür bin ich zu stolz.

Aber haben Sie manchmal Angst, dass einfach keine Angebote mehr kommen?

Natürlich, jeder Mensch hat doch Angst. Aber sie ist wichtig, um sich zu motivieren. Ich verbringe mein Leben deshalb damit, mich meinen Ängsten zu stellen.

Das Interview führte Sonja Pohlmann.

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