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Medien: Freiheit oder Liberty

Der US-Kabelnetzbetreiber Liberty Media Corp. hat den Zorn der deutschen Fernsehsender und Landesmedienanstalten auf sich gezogen: Das Unternehmen hat sich gegen den von der Branche favorisierten MHP-Standard für das digitale Fernsehen ausgesprochen.

Der US-Kabelnetzbetreiber Liberty Media Corp. hat den Zorn der deutschen Fernsehsender und Landesmedienanstalten auf sich gezogen: Das Unternehmen hat sich gegen den von der Branche favorisierten MHP-Standard für das digitale Fernsehen ausgesprochen. Die TV-Sender fürchten nun, dass ihre digitalen Angebote bei Liberty-Kunden außen vor bleiben werden, wenn das US-Unternehmen Geräte einsetzt, die nicht den MHP-Standard unterstützen. Erst diese Technik macht es möglich, dass Zuschauer mit nur einem Decoder alle digitalen Fernsehangebote nutzen können. Liberty könnte versuchen, bevorzugt eigene Inhalte zu verkaufen, so die Befürchtung. Jetzt wollen die Landesmedienanstalten eingreifen. Zwar sind "wirtschaftliche Interessen von Liberty zu berücksichtigen", sagte Norbert Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), am Dienstag; zugleich hätten diese aber keinen prinzipiellen Vorrang vor den Interessen der Veranstalter "und erst recht nicht vor denen der Zuschauer und Verbraucher". Der Rundfunkstaatsvertrag gibt den Landesmedienanstalten den Auftrag, im Sinne der Verbraucher allen Programmanbietern einen chancengleichen Zugang zu den TV-Kabelnetzen zu sichern.

Liberty Media hat im September sechs Kabelnetzregionalgesellschaften, darunter auch die Berliner, mit zehn Millionen Kunden von der Deutschen Telekom gekauft. Die Zustimmung der Kartellbehörde steht noch aus. Die übrigen drei TV-Kabelregionalnetze der Telekom haben Callahan (Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg) und das Konsortium Klesch/NTL (Hessen) erworben. Diese Unternehmen wollen ihren Kunden MHP-fähige Set-top-Boxen anbieten. Die Präsidentin von Liberty Media International, Miranda Curtis, hatte erklärt, die MHP-fähigen Decoder seien zu teuer. Durch den Standard würden die Kosten für die Geräte um 120 bis 190 Mark steigen. Dies wird von Herstellern wie Philips angezweifelt. Ein Sprecher hält Mehrkosten von 50 Mark für realistisch. Längerfristig werde eine eigene Liberty-Lösung aber immer teurer als ein gemeinsamer Standard. Philips hält die Absage von Curtis an MHP für "eine nicht durchdachte Aussage".

Liberty hat zudem angekündigt, seine Boxen an die eigenen Kunden zu verschenken. Die Medienanstalten betonten allerdings, es wäre eine Fehldeutung anzunehmen, dass Liberty die Boxen "verschenke". Das Unternehmen "möchte sich mit dieser Ankündigung die wirtschaftlich interessanten Kundenbeziehungen sichern", heißt es in einer Mitteilung. Selbstverständlich erwarte Liberty, dass die Verbraucher die vorfinanzierten Kosten durch höhere Umsätze refinanzieren würden.

Branchenbeobachter gehen davon aus, dass die Medienanstalten massiv darauf hinwirken werden, dass der vorgeschriebene chancengleiche Marktzugang für alle Programmanbieter auch umgesetzt wird. Erst vor etwa einem Monat verzichtete die Kirch-Gruppe auf ein eigenes Decoder-System in ihrer D-Box und schloss sich dem MHP-Standard an. "MHP ist die richtige Basis, um das digitale Fernsehen weiter zu entwickeln", heißt es auch bei RTL Deutschland. Die RTL Group erwägt angeblich sogar, ihre Programme per Kabel nur noch im Paket anzubieten. Kabelbetreiber, die einzelne Sender "aussortieren" wollten, müssten dann auf alle Sender der Gruppe verzichten. Auf der Funkausstellung in Berlin hatten Elektronikriesen wie Panasonic, Sony oder Philips erste Set-top-Boxen mit MHP vorgestellt. Allerdings sind diese Boxen nur für den Empfang digitaler Programme über Satellit ausgelegt. Modelle für den Kabelmarkt sollen später folgen.

jbh

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