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Medien: Fröstelnde Lehrerschar

Im Land der Bildungskrise: Der Fernsehfilm „Die Konferenz

Es sind keine Geschworenen. Es geht auch nicht um Leben und Tod. Aber die neun Lehrerinnen und Lehrer sitzen ebenfalls zu Gericht. Ein volljähriger Schüler soll eine 17-jährige Mitschülerin nach einer Theaterprobe von Shakespeares „Sommernachtstraum“ vergewaltigt haben. Treffen die Vorwürfe zu? Was sind die Hintergründe? Soll der Schüler von der Schule fliegen, obwohl das Mädchen und seine Mutter auf eine Anzeige verzichten? Sidney Lumets Filmklassiker „Die zwölf Geschworenen“ (1957) stand Pate für Bodo Kirchhoffs Idee von einer heiklen Klassenkonferenz im Land der Bildungskrise. Regisseur Niki Stein („Die Quittung“, „Die Pest“), der einst die „Tatort“-Teams in Düsseldorf, Köln und Frankfurt entwickelte, setzte das Kammerspiel „Die Konferenz“ in Szene.

Allerdings trifft sich die Schar nicht wie bei Lumet an einem schwül-heißen Sommertag, sondern an einem frostigen Winterabend. Leider ist die Heizung kaputt im Friedrich-Hölderlin-Gymnasium. Es ist dort ähnlich frostig wie im gesamten Deutschland nach dem Amoklauf von Erfurt und den miserablen Pisa-Tests. Und so ist auch der Ton, mit dem das Kollegium über den Fall streitet: kalt und voll schneidender Ironie. Der Haufen von frustrierten, in den Illusionen der Vergangenheit gefangenen Pädagogen diskutiert engagiert und gibt doch ein trauriges Bild ab. Zur Entscheidung über den Schüler gezwungen, brechen lange gehütete Geheimnisse auf, kommen Unsicherheiten, gegenseitige Verletzungen und nicht zuletzt das Scheitern eigener Liebesbeziehungen auf den Tisch. Man ist mindestens ebenso mit sich selbst beschäftigt wie mit dem zu behandelnden Fall.

Niki Stein sagt, der Film solle einen Blick darauf werfen, wie diese Gesellschaft mit der Jugend umgehe. „Seit 20, 30 Jahren haben wir uns überhaupt nicht mehr um sie gekümmert.“ Vorgeführt werden hier allerdings nur die Lehrerinnen und Lehrer.

„Natürlich machen wir es ihnen schwer“, meint Stein, selbst Vater einer schulpflichtigen Tochter. Doch alle neun Figuren würden nicht als Fratzen denunziert, sondern in all ihren Nöten und durchaus liebenswert dargestellt. „Gebt den Lehrern einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert, nur so kann Schule besser werden“, sagt Stein und will mit seinem Fernsehfilm „ein Ausrufezeichen setzen“. Wie in der Realität werde auch im Film die Verantwortung auf die Schule abgewälzt. Sowohl der Vater des beschuldigten Jungen, ein Rechtsanwalt, als auch die Mutter des Mädchens drohen der Schule mit unangenehmen Folgen, falls das Urteil nicht in ihrem Sinne ausfällt. Die Mutter ist eine politisch aktive Aggressionsforscherin und „saß für ihre Gesinnungsgenossen in der Pisa-Kommission. Fanatisch ist die, ekelhaft“, bemerkt ein Lehrer.

Das ist natürlich ein bisschen dick aufgetragen. Auch wirken die Figuren, von den ergrauten Alt-68ern bis zum jungen Sportlehrer, wie am Reißbrett entworfen. Dennoch ist „Die Konferenz“ hervorragend besetztes Dialogfernsehen und ein dichtes Kammerspiel mit einer bemerkenswerten Kamera-Arbeit von Arthur W. Ahrweiler. Senta Berger spielt die unentschlossene Schulleiterin. Die acht weiteren, gleichwertigen Rollen haben Rudolf Kowalski, Ulrike Kriener, Günther Maria Halmer, Nina Petri, Jan-Gregor Kremp, Peter Fitz, Sophie von Kessel und Wotan Wilke Möhring übernommen. Der Film leidet freilich darunter, dass es keine wirklich positive Figur gibt. Keinen Henry Fonda, der die anderen Geschworenen einer nach dem anderen kraft seiner Überzeugung „umdreht“. Erlösung ist nicht in Sicht.

„Die Konferenz“, Freitag, 4. Februar, Arte, 20 Uhr 45

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