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Mischte sich bis zuletzt in die politische Debatte ein: Michael Jürgs.

© Karlheinz Schindler/dpa

Update

Früherer „Stern“-Chefredakteur: Michael Jürgs im Alter von 74 Jahren gestorben

Er war einer der prägenden Journalisten der Bundesrepublik: Jetzt ist der frühere „Stern“-Chefredakteur Michael Jürgs nach langer Krankheit gestorben.

Der Publizist und frühere „Stern“-Chefredakteur Michael Jürgs ist tot. Er starb nach langer Krankheit in der Nacht zu Freitag in Hamburg im Alter von 74 Jahren, wie seine Frau Nikola Jürgs mitteilte. Der Journalist hatte in der Medienbranche den Ruf, ein ausgezeichneter Rechercheur und scharfer Beobachter zu sein, wusste mit seinen Standpunkten aber auch zu provozieren. 2019 wurde Jürgs der renommierte Theodor-Wolff-Preis der deutschen Zeitungen für sein Lebenswerk zuerkannt.

„Ich wollte immer nur Journalist werden, (...), weil ich daran glaubte und noch heute daran glaube, dass man mit Worten die Welt verändern kann“, sagte Jürgs im April 2019 dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Er war rund ein Jahr zuvor an Krebs erkrankt. Jürgs war fast 50 Jahre lang verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

„Ich kenne und schätze, nein, bewundere Michael seit 56 Jahren. Dass er ein journalistisches Urgestein werden sollte, konnte ich seinerzeit nicht ahnen“, sagte der Publizist und frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann in seiner Laudatio zur Verleihung des Theodor-Wolff-Preises Ende Juni in Berlin, zu der Jürgs bereits nicht mehr anreisen konnte. Jürgs und Naumann lernten sich in jungen Jahren in München kennen.

Jürgs, am 4. Mai 1945 in Ellwangen geboren, begann seine journalistische Karriere 1965 bei der Münchner „Abendzeitung“, als Volontär mit abgebrochenem Studium. Drei Jahre später, im Alter von 23 Jahren und inmitten der gesellschaftspolitischen 68er-Bewegung, wurde er kurzzeitig Feuilletonchef des Blattes. 1976 wechselte er als Ressortleiter Unterhaltung zum Magazin „Stern“ in Hamburg und stieg zum Chefredakteur auf (1986 bis 1990).

Nach einem Leitartikel zur deutschen Wiedervereinigung wurde der diesbezügliche Skeptiker Jürgs abgelöst. Er war anschließend als Chefredakteur des Magazins „Tempo“ sowie kurzzeitig als Co-Moderator der NDR-„Talk Show“ tätig, bevor er sich ganz eigenen Publikationen widmete.

Die Bedrohung von rechts trieb ihn um

Jürgs schrieb auch regelmäßig als freier Autor für den Tagesspiegel. In besonderem Maße widmete er sich in seinen Beiträgen dem Umgang mit Rechtsextremen und Rechtspopulisten. Zuletzt hatte er sich im März vor der Europawahl in die Debatte eingemischt. Der Begriff der „Heimat“ dürfe nicht den Rechten überlassen werden, forderte Jürgs in seinem Plädoyer im Tagesspiegel. „Deshalb muss, aufrecht gegen rechts, unser Mutterland Europa, Heimat der Aufklärung, der Freiheit, der Toleranz, unter dessen beschützendem Dach unterschiedliche Heimaten erblüht sind im Norden und Süden, im Osten und Westen, verteidigt werden.“

Ein Experiment auf fiktionalem Gebiet wagte Jürgs vor der Bundestagswahl 2017 im Tagesspiegel: Mit einem täglichen Fortsetzungsroman übertrug er ein klassisches Format aus der Zeitung in ein Online-Medium.

„Und erlöse uns von allen Üblen“ handelte in 100 Folgen von einem Mordkomplott im Wahlkampf – bei dem sich die rechte „Nationale Alternative“ gute Chancen ausrechnete (auf unserer Themenseite finden Sie alle Folgen).

Einen Namen machte sich Jürgs auch durch etliche Bücher, darunter Biografien über die Schauspielerin Romy Schneider, den Verleger Axel Springer und den Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass. In einer Streitschrift („Seichtgebiete - Warum wir hemmungslos verblöden“) nahm sich der Publizist 2009 das Privatfernsehen und Showgrößen vor. 2015 ging er in einer Art Rundgang an 25 Orten der Frage nach: „Wer wir waren, wer wir sind - Wie Deutsche ihre Geschichte erleben.“ (Tsp, dpa)

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