zum Hauptinhalt
Arianna Huffington leitet nach dem AOL- Deal die neue Mediengruppe. Foto: rtr

© REUTERS

Für 315 Millionen Dollar: AOL wieder drin

Mit dem Kauf der „Huffington Post“ baut der frühere Internetgigant eine neue Mediengruppe auf. Die Leser kommentieren den Deal auf andere Weise.

„Das ist keine gute Nachricht, das ist ein Ausverkauf.“ Der Tenor der Kommentare war leicht vorherzusehen. Viele Leser der „Huffington Post“ halten wenig vom Verkauf der zuvor unabhängigen amerikanischen Internetzeitung für 315 Millionen Dollar – 300 Millionen in bar – an den einstigen Internetriesen AOL. Arianna Huffington, Chefredakteurin der für ihre kritische Haltung geschätzten Webseite, sieht das anders: „Durch diesen Deal können wir unsere Visionen in Lichtgeschwindigkeit umsetzen. Es ist so, als würde man von einem Schnellzug in ein Überschallflugzeug umsteigen“, schreibt die 60-Jährige und verspricht, dass sich an der redaktionellen Ausrichtung nichts ändern werde – außer, dass man alles viel schneller erreichen kann.

Vor allem aber versucht AOL, sich neu zu erfinden: Unternehmenschef Tim Armstrong spricht bereits von einer Medienfirma der kommenden Generation. Das Zugangsgeschäft hat AOL abgestoßen, von alten Märkten hat sich ,America Online‘ verabschiedet, auch in Deutschland wurden die Niederlassungen geschlossen. Dafür wurden sukzessive Internetblogs und Onlinemedien gekauft – mit dem klaren Ziel, ein Netzwerk für lokale, nationale und internationale Inhalte aufzubauen. Die Gruppe erreicht nach AOL-Angaben 117 Millionen Internetnutzer in Amerika und 270 Millionen weltweit. Zu den bekanntesten Angeboten gehören neben der „Huffington Post“ die Blogs Techcrunch, Engadget, Games.com und Moviefone.

Und über allem steht nun die charismatische Journalistin Arianna Huffington, die aus einem Internetblog eine der erfolgreichsten Internetpublikationen gemacht hat, die inzwischen sogar profitabel arbeitet. Mit 250 Mitarbeitern gilt sie als „New York Times“ des Internets, die übrigens der altehrwürdigen Zeitung bereits einige Reporter abspenstig gemacht hat. Das „Time“-Magazin zählt Arianna Huffington zu den 100 einflussreichsten Personen. Kürzlich besuchte sie das Weltwirtschaftsforum in Davos, auch wenn in ihrer „Post“ Entertainment-Geschichten einen größeren Stellenwert als Politik und Wirtschaft haben.

Huffington hatte die Website im Jahr 2005 zusammen mit Kenneth Lerer und einem Startkapital von einer Million Dollar gegründet. Mit der Zeit wurden die Internetlinks und Blogeinträge durch redaktionelle Beiträge sowie durch regelmäßige Kolumnen prominenter Autoren wie Norman Mailer oder John Cusack ergänzt. Monatlich zählt die Webseite derzeit rund 25 Millionen Besucher und gehört damit zu den wichtigsten US-Onlinemedien.

AOL erlebte seine Blütezeit zur Jahrtausendwende. Mit 30 Millionen Nutzern weltweit war es zu der Zeit der größte Internetzugangsdienst. Die Verschmelzung von AOL und Time Warner im Jahr 2000 mit einem Aktientausch im Wert von 100 Milliarden Dollar ging als bis dato teuerste Fusion in die Wirtschaftsgeschichte ein. Die Freude währte jedoch nur kurz, das AOL-Geschäft entwickelte sich schnell rückläufig. Inzwischen hat der Medienkonzern Time Warner das Internetunternehmen abgestoßen. Seit Ende 2009 fährt AOL als selbstständiges Börsenunternehmen einen strikten Sparkurs, verbunden mit dem Abbau eines Drittels der zuvor 7500 Stellen.

Der Kauf der „Huffington Post“ ist für AOL die größte Akquisition seit der neuen Eigenständigkeit. Einige Marktbeobachter erinnert der Kauf allerdings wieder an die Multimillionendeals aus den Jahren 2000 und 2001 kurz vor dem Platzen der Internetblase.

Mit dem Geschäft verbindet sich zugleich der Wettbewerb der unterschiedlichen Onlinefinanzierungsmodelle: Auf der einen Seite steht Rupert Murdoch mit seiner gerade gestarteten kostenpflichtigen iPad-Zeitung „The Daily“, die künftig 90 Cent pro Woche kosten wird. Arianna Huffington und ihr neuer Arbeitgeber AOL halten dagegen am Modell der Werbefinanzierung fest. Kurt Sagatz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false