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Medien: „Für Unikate zahlt man mehr“

ARD-Programmchef Günter Struve über Harald Schmidts Honorar, die „Tagesthemen“ und die Pläne für 2005

Herr Struve, gab es in der Fernsehgeschichte jemals einen Mitarbeiter, der für so viel Honorar so wenig arbeiten musste wie Harald Schmidt? 30 Minuten für geschätzte 80 000 Euro.

Jeder hat seinen Marktwert. Ich halte es für gerecht, dass er ein Vielfaches von dem bekommt, was ich bekomme. Harald Schmidt verkörpert eine Farbe im deutschen Fernsehen wie kein Zweiter. Für Unikate zahlt man mehr. Auch wird gerne übersehen, dass wir Schmidt bei all dem, was man fairerweise gegenrechnen kann, nicht überbezahlen.

Ist denn überhaupt ernsthaft verhandelt worden? Hat nicht vielmehr Fred Kogel, der Schmidt-Vertraute, immer wieder gesagt, das verlangen wir auch noch, und die ARD hat zugestimmt?

Der Vertrag geht über anderthalb Jahre. Erst danach werden beide Seiten sehen, ob man zusammenpasst, und vor allem, was wir refinanzieren konnten. Da stochern wir jetzt noch mit einer Stange im Nebel herum. Die Nachfrage der Sponsoren ist jedenfalls groß.

Schmidt am Mittwoch und am Donnerstag: Das war sein Wunsch?

Ja.

Sie hätten sich anderes vorstellen können?

Ich hätte mir zusätzlich den Freitag vorstellen können, der aber war schon bei Sat 1für Harald Schmidt der schwierigste Tag. Ich musste also nicht sehr überredet werden, Schmidts Bitte nach Mittwoch und Donnerstag zu entsprechen.

Worauf freuen Sie sich bei „Harald Schmidt“?

Erst einmal darauf, dass Schmidt die Welt erklärt, wie nur Schmidt sie erklären kann. Ich würde zum Beispiel niederknien, wenn er so etwas einführen würde wie die Rubrik „Rudis Tagesshow“, also die „Tagesschau“ in der satirischen Bearbeitung eines Rudi Carrell.

Gibt es noch eine Chance für das RBB-Magazin „Polylux“ nach „Harald Schmidt“ am Donnerstag?

Der Audience Flow von Schmidt zu „Polylux“ am Donnerstag wäre natürlich wunderbar. „Polylux“ am Donnerstag um 23 Uhr 30 würde jedoch bedeuten, dass der Fernsehfilm und vor allem das „Debüt im Ersten“ von diesem Sendeplatz verschwinden müssten. Was sich für „Polylux“ anbieten würde, wäre der Freitag oder der Sonntag. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Pilawa, Beckmann, Monica Lierhaus, jetzt Harald Schmidt – wer fehlt da noch in der ARD-Kollektion?

In Ihrer Aufzählung fehlt jemand: Unsere Entdeckung Florian Silbereisen, der mit seiner Volksmusiksendung Carmen Nebel, Carolin Reiber, Gottschalk und Jauch, sie alle geschlagen hat.

Und wieder eine Hoffnung dahin: Die Volksmusik lebt.

Alle professionellen Kritiker sagen zwei Dinge seit 20 Jahren: Erstens, der „Tatort“ geht den Bach runter. Zweitens: Mit der Volksmusik kann es so nicht weitergehen, die ewig gleichen Rhythmen, diese Verlogenheit etc. Aber es gibt rund acht Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, noch mehr sind es die Zuschauerinnen und die Zuschauer im Osten, die die Volksmusik als Entspannung erleben.

Wenn Sie sich mal das ganze Fernsehjahr 2004 ansehen – ohne die großen Sportereignisse. Wie ist der Zuschauer gestimmt?

Ich bin Differentialdiagnostiker. Ich frage mich immer, was die Zuschauer nicht fesselt. Sie mögen die wilden, aggressiven, schrillen Formen wie „Hire & Fire“ oder die prolligste Sendung des Jahres, „Kämpf um Deine Frau“, nicht. Familie ist wieder ein Wert. Erziehung und andere traditionelle Werte wie Partnerschaft, Wissen, siehe „Pisa-Test“, sind wieder da. Schauen Sie sich die Politiker an: Edmund Stoiber oder der Bundeskanzler reden von Werten, Werten, Werten. Das machen sie nicht, weil sie annehmen, dass es unpopulär sei. Die Gesellschaft ist momentan nicht auf dem Weg zur Revolution, eher auf dem Weg ins Biedermeier. Für uns in der ARD ist das erst einmal nicht schlecht, weil wir den Werten eher verhaftet geblieben sind als unsere kommerzielle Konkurrenz.

Sehen wir schon wieder das beste Fernsehen aller Zeiten?

Ich verbringe 27, 28 Abende im Jahr in den USA. Ich schaue fern, sehe mir die Palette der Programme von oben nach unten an. Ich bin jedes Mal wieder enttäuscht. Ich sehe keine Formate, die wir adaptieren sollten, die wir nicht schon hätten.

Mit der ARD ist der Zuschauer im Fernsehparadies. Welche Freuden werden Sie ihm 2005 bereiten, ein Jahr ohne sportliche Großereignisse, aber mit dem 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs?

Wir werden mit dem Film „Der Untergang“ von Bernd Eichinger an das Kriegsende erinnern. Dazu kommt im Frühsommer „Speer und Er“, die intensive und individuelle Betrachtung von Heinrich Breloer und Horst Königstein. Die 50er- Jahre werden wir mit einer sechsteiligen Dokumentation aufnehmen, den großen Erfolg von „Abenteuer 1900“ mit einem sehr ähnlichen Format und dann auch noch „Windstärke 8“ fortsetzen. 30 Männer und Frauen brechen an Bord des Dreimasters „Bremen“ zu einer Atlantik-Überquerung anno 1855 auf: „Living History“, noch zugespitzter, noch dramatischer, weil auf engerem Raum.

Jetzt, zum Jahresende 2005, kommt „Heimat 3“ in sechs Teile von Edgar Reitz. Der Künstler ist mit der ARD nicht zufrieden.

Zunächst: „Heimat“ gäbe es ohne die ARD nicht. Der Grundkonflikt mit Edgar Reitz ist, dass er die sehr viel längere Kinofassung ausgestrahlt wissen möchte, die ARD aber sechs Teile à 90 Minuten, wie längst vertraglich vereinbart. Fernsehen ist Massenmedium, dieses Reitz-Kino für wenige tausend Cineasten. Ich wollte schon die längere Fassung, aber unsere Dramaturgen haben mich umgedreht. „Heimat 3“ in der Kinofassung ausgestrahlt hätte eine Million Zuschauer weniger. Der Film ist die größte finanzielle Anstrengung der ARD in den letzten Jahren. Wir haben alle sechs Teile um 20 Uhr 15 programmiert.

Und 2006, denken Sie bereits so weit?

Bis dahin muss es gelungen sein, die „Tagesthemen“ von 22 Uhr 30 auf 22 Uhr 15 vorzuverlegen. Das täte der Sendung gut, dann könnten alle nachfolgenden Programme wie „Beckmann“ oder „Harald Schmidt“ um 22 Uhr 45 und damit vor „Johannes B. Kerner“ um 23 Uhr beginnen.

Da müssen die Magazine ja wieder leiden. Erst werden sie am Donnerstag auf 21 Uhr 45 geschoben, und jetzt sollen sie von 45 auf 30 Minuten gekürzt werden. Das ist fast schon gemein.

Das kann man auch anders sehen. Die Magazine würden durch die halbstündige Sendezeit dramaturgisch dichter und für den Zuschauer attraktiver werden.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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